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Geschichte der Leipziger Kinderklinik

Gründungsjahre (1817 - 1871)

​1817 Gründung der ersten Kinderpoliklinik in Leipzig durch Peter Ludwig Cerutti (1789 – 1858)

Die durch Cerutti gegründete erste Spezialbehandlungsstätte für Kinder in Leipzig befand sich in dem seit 1799 für den universitären medizinischen Unterricht nutzbaren "Institut für den klinischen Unterricht im Jakobshospital" am Rosental.

Cerutti wurde 1824 zum Direktor der Medizinischen Poliklinik berufen. Im selben Jahr gab er die Kinderpoliklinik wieder auf.

​1544 gingen die Gebäude des Paulinerklosters an die Universität Leipzig über und konnten nach dem Umbau ab 1546 auch von den Medizinern genutzt werden.

1872 erhielten die Polikliniken ihren Sitz im Mittelpaulinum.

​Paulinum, um 1830

1855 Gründung einer privaten Poliklinik für Kinder durch Karl Hennig (1825 - 1911)

Hennig war ein Schüler Cerutttis. 1855 gründete er eine private Poliklinik, die zunächst in den Räumen der aus der Trier'schen Stiftung hervorgegangenen Entbindungsanstalt untergebracht war. Wöchentlich hielt er dort eine Beratungsstunde für kranke Kinder ab. Nachdem Hennig zum außerordentlichen Professor für Kinderheilkunde ernannt worden war, konnten ab 1863 auch erstmals Studenten in der Kinderheilkunde unterrichtet werden. Die Poliklinik wurde im Vorlesungsverzeichnis der Universität als "Privatinstitut zur Benutzung der Studierenden" geführt. 1872 wurden die Chirurgischen und Inneren Polikliniken einschließlich der Pädiatrischen Sprechstunde in das Mittelpaulinum (heute: Sitz der Universitätsgebäude am Augustusplatz) verlegt.

Seit 1860 wurden kranke Kinder und Erwachsene aus den Armenvierteln der Stadt auch in der für Bedürftige geschaffenen Distriktspoliklinik behandelt.

1880 Berufung von Otto Heubner (1843 – 1926) zum Professor für Kinderheilkunde an die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig.

​Das neue Jakobshospital im Eröffnungsjahr 1871 an der Waisenhausstraße, heute Liebigstraße - Begründung des Standortes der Leipziger Universitätsmedizin.

Als Heubner 1866 an die Universität Leipzig kam, besaß die Kinderheilkunde noch nicht den Status eines selbständigen Fachgebietes. Heubner arbeitete zunächst als Kliniker an der Abteilung für Innere Medizin des Jakobshospitals. Als Leiter der Distriktspoliklinik behandelte er ebenfalls kranke Kinder und konnte so seine Kenntnisse erweitern.

Die Notwendigkeit, die Kinderheilkunde als Spezialgebiet zu etablieren, begründete er folgendermaßen: "Theoretisch kann jeder innere Kliniker wohl auch Pädiatrie lehren, aber praktisch nicht ohne weiteres. Kranke Kinder sind andere Objekte als Erwachsene." (Zitat aus: Peiper, A.: Otto Heubner... Deutsches Gesundheitswesen 20 (1965), S. 2282).

Heubner gebührt der Verdienst, als Erster in Deutschland eine Schule der Kinderheilkunde begründet zu haben.

Eröffnung der Leipziger Kinderklinik

Am 6.12.1891 wurde nach einer relativ kurzen Bauzeit von 25 Monaten die Kinderklinik Leipzig eröffnet. Der erste Direktor und zugleich Gründer der damals größten Kinderklinik Deutschlands war Otto Heubner. Mit seinem Lehrbuch der Kinderheilkunde (1. Auflage 1905) begründete er die erste Schule der Pädiatrie in Deutschland.

Nachfolger wurde Otto Soltmann (1894 - 1912). Er förderte den Ausbau der Klinik einschließlich eines OP-Saales. 1908 wurde durch seine Initiative die Sächsisch-Thüringische Gesellschaft für Kinderheilkunde gegründet.

Nach dem Tode von Otto Soltmann wurde Martin Thiemich, der sich bei Czerny in Breslau habilitierte, nach Leipzig berufen. Als besondere Leistung Thiemichs gilt die Gründung einer Kinderpflegerinnenschule (1914) an der Klinik.

Für die Kinderheilkunde in Deutschland bedeutungsvoll war die 31. Versammlung der Gesellschaft für Kinderheilkunde (Kriegstagung), die im Hörsaal der Leipziger Kinderklinik stattfand. Arthur Schloßmann legte mit seiner Rede "Kinderkrankheiten und Krieg" die Grundlage für eine Petition, der der wesentliche Anstoß für die Gründung von Lehrstühlen für Kinderheilkunde an 14 von 19 deutschen Universitäten zugeschrieben wird.

Georg Bessau (1884 - 1944) wurde 1922 nach Leipzig berufen. Er war bis 1932 ordentlicher Professor für Kinderheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und wurde im gleichen Jahr Direktor der Kinderklinik der Berliner Charité. Während seiner Zeit in Leipzig in den 1920er Jahren erfuhr er für seine Forschungen zur Ernährung von Säuglingen bei Durchfallerkrankungen sowie mikrobiologische und immunologische Arbeiten hohe Anerkennung.
In der NS-Zeit war Georg Bessau an der so genannten Kindereuthanasie beteiligt und führte in Berlin qualvolle Experimente an geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen mit einem eigens entwickelten Impfstoff gegen Tuberkulose durch. Viele überlebten diese Experimente nicht. Bessau starb 1944 an Krebs.

Die Kinderklinik während des Nationalsozialismus

​Nach dem Machtantritt des Faschismus wurde Werner Catel nach Leipzig berufen. Wissenschaftliche Begabung und Publikationen, wie die "Differentialdiagnostische Symptomatologie von Krankheiten des Kindesalters", ändern nichts an der Tatsache, dass unter Catel die lebensverachtende Ideologie des Faschismus auch an der Leipziger Klinik nicht vorüberging. 1946 verließ Catel Leipzig.

Werner Catel hat die so genannte Kindereuthanasie unter Hitler im Naziregime nicht nur verteidigt und für „wissenschaftlich begründet" beschrieben, sondern trägt wohl aktiv an der Ermordung von über 500 Kindern Schuld oder Mitschuld. Genaue Unterlagen sind während der Kriegstage verbrannt oder gezielt vernichtet worden.

In einzelnen Büchern, siehe „110 Jahre Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche in Leipzig", wurde auf das schreckliche Wirken und die Verbrechen von Werner Catel und des nationalsozialistischen Regimes auch und gerade an der Universitätskinderklinik Leipzig gedacht. Es soll an dieser Stelle noch einmal an die Verbrechen des Nationalsozialismus, die Ausgrenzung von Andersdenkenden, die Ausgrenzung von Menschen mit anderen Anschauungen oder anderer Herkunft hingewiesen werden und diese zutiefst verurteilt werden!

Nachdem auch in den heutigen Zeiten weltweit Verbrechen der Menschlichkeit und an der Menschheit geschehen, dürfen wir alle nicht ruhen bis Gerechtigkeit, Sicherheit für alle und Menschlichkeit insbesondere die Kinderheilkunde und Jugendmedizin, aber auch unsere Gesellschaft insgesamt prägen.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ an der Universitätskinderklinik schwere Schäden. Im Dezember 1943 wurden wesentliche Teile der Klinik während eines Bombenangriffs zerstört. Sechs Kinder und drei Schwestern fanden den Tod. Wesentliche Funktionsteile der Klinik wurden ausgelagert.

Nachkriegsjahre bis heute

​In der Nachkriegszeit erhöhte sich die Bettenkapazität auf 400. Vor allem Kinder mit Durchfallerkrankungen und Infektionen, besonders mit Tuberkulose mußten aufgenommen und behandelt werden.

1948 wurde Albrecht Peiper nach Leipzig berufen. Frühgeborenenprobleme und die Kinderneurologie bildeten unter ihm die wissenschaftlichen Schwerpunkte. Peiper baute das Frühgeborenenhaus als Basis der Betreuung und Forschung und wurde somit zum Begründer der wissenschaftlichen Neonatologie in Leipzig. Außerdem gilt seine "Chronik der Kinderheilkunde" noch immer als pädiatrisch-historisches Standardwerk. Unter Peiper bildeten sich die ersten speziellen Arbeitsschwerpunkte der Klinik heraus. Diese Differenzierung wurde von Joseph Dickhoff (1958 - 1960) und von Siegfried Liebe (1961 - 1973) fortgeführt.

Am 1. Juni 1973 erfolgte die Berufung von Wolfgang Braun an die Universitätskinderklinik Leipzig. In seiner langen Amtsperiode von 24 Jahren führte er 17 Mitarbeiter zur Habilitation. Außerdem war er Autor bzw. Herausgeber eines Studenten- sowie eines Facharztlehrbuches. Unter seiner Leitung wurde die Spezialisierung des Fachgebietes in ambulanten und stationären Sektor fortgeführt.

Am 1. Januar 1998 erhielt Wieland Kiess aus Gießen den Ruf als Lehrstuhlinhaber für das Fachgebiet Kinderheilkunde nach Leipzig.

Geschichte der Poliklinik

  • 1812 Einrichtung einer medizinischen Ordination durch Friedrich August Benjamin Puchelt (1784- 1856) im Jakobshospital am Rosental (Abbildung 1)
  • Jakobshospital am Rosental
  • 1817 Erweiterung der Ordination - Gründung der ersten speziellen Behandlungsstätte für Kinder durch den Assistenten von Puchelt, Peter Ludwig Cerutti (1789 - 1858), ebenfalls im Jakobshospital
  • 1818 wird die Ordination als "Medizinisches Poliklinikum" bezeichnet.
  • 1824 Schließung der Kinderpoliklinik
  • 1830 Gründung einer "Beratungsanstalt für unbemittelte Personen, welche an leichten Verwundungen, Erfrierungen, Verbrennungen, Geschwüren und dergleichen leiden und nicht bettlägrig sind"; gilt als Gründungsjahr der Chirurgischen Poliklinik
  • 1834 Umzug der Medizinischen und der Chirurgischen Poliklinik in das Beguinenhaus (heute: Universitätsstraße 14)
  • 1853 Unterbringung beider Polikliniken in der aus der Trier'schen Stiftung hervorgegangenen Entbindungsanstalt im Grimmaischen Steinweg Private Poliklinik
  • 1855 Gründung einer Privaten Poliklinik für Kinder (Beratungsstunde für Kinder) im Rahmen der Gesamtpoliklinik im Grimmaischen Steinweg (Abbildung 2)

Abbildung 1

Abbildung 2

 

  • 1860 Gründung einer zusätzlich für Bedürftige geschaffenen Distriktspoliklinik, in der Kinder und Erwachsene aus den Armenvierteln behandelt wurden, zunächst ebenfalls im Grimmaischen Steinweg.
  • 1872 Verlegung der Chirurgischen und Inneren Polikliniken einschließlich der pädiatrischen Sprechstunde in das Mittelpaulinum (Abbildung 3 - nach dem Umbau durch Albert Geutebrück 1800 - 1868)
  • Auf dem Areal des Paulinums befinden sich heute die Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz.
  • Die Gebäude im Paulinum wurden vor allem von der Theologischen, der Juristischen und der Philosophischen Fakultät genutzt. Von 1704 bis 1785 hatte auch das Anatomische Theater seinen Sitz im Mittelpaulinum.

    Die Medizinischen Einrichtungen siedelten sich mit der Eröffnung des neuen "Städtischen Krankenhauses zu St. Jakob" im Jahre 1871 an der Liebigstraße an.
  • 1888 erhielten auch alle poliklinischen Einrichtungen eine neue Heimstatt in einem gemeinsam mit dem Pharmakologischen Institut genutzten Neubau an der Ecke Liebigstraße / Nürnbergerstraße (Abbildung 4)

    Am 4. Dezember 1943 wurde dieses Gebäude vollständig zerstört.
  • 1947 wurden die Medizinische und die Chirurgische Poliklinik gemeinsam mit dem Institut für Pharmakologie in einem ehemaligen Messehaus in der Härtelstraße untergebracht.
  • Die Kinderpoliklinik erhielt ihre neue Heimat in dem allerdings im Zweiten Weltkrieg ebenfalls schwer zerstörten Gebäudekomplex der Kinderklinik in der Oststraße.

Abbildung 3

Abbildung 4


Die Zeit nach dem Zweiten Welt​krieg

  • 1948 - 1952 Provisorische Unterbringung auf Station 9
  • 1952 - 1953 Einrichtung des Ostflügels im Anschluß an den Wartesaal im Hörsaalgebäude mit vier Behandlungsräumen für die allgemein-pädiatrischen Sprechstunden und für HNO-, Augen- und Zahnbehandlungen. Im Untergeschoß befanden sich seit 1955 Räume für die Lehr-Mütterberatung und bis 1990 die EKG-Abteilung und die psychologische Beratung.
  • 1953 Einrichtung des Flachbaus vor dem Hauptgebäude mit sechs kleinen Räumen für Kinder mit ansteckenden Krankheiten (sogenannte Isolierboxen), dem Kinderwagenraum und der stationären Aufnahme. (Abbildung 5)
  • 1993 - 1994 Gründliche Sanierung und Modernisierung des Flachbaus an der Oststraße, einschließlich neuer Fassadengestaltung. (Abbildung 6)
  • 1998 - 1999 Sanierung und Modernisierung der Räume für die Spezialsprechstunden und des Wartesaals im Sockelgeschoß des Ostflügels der Kinderklinik (zusammen mit der Kinderchirurgischen Poliklinik). (Abbildung 7)

Abbildung 5

Abbildung 6

Abbildung 7

 

Leitende Ärzte der Poliklinik​ Flachbau

  • 1951 - 1957 Dr. med. H. - C. Hempel
  • 1959 - 1966 Doz. Dr. med. habil. Herbert Polster (links)
  • 1967 - 1991 Prof. Dr. med. habil. Helmut Richter (Mitte, links)
  • 1991 - 1998 Prof. Dr. med. habil. Wolfgang Raue (Mitte, rechts)
  • seit 1999 Prof. Dr. med. habil. Volker Schuster (rechts)

 

Spezialsprechstunden der Polik​​linik

  • Lues connata, Kinder luetischer Mütter - seit 1952
  • Frühgeborenennachsorge - seit 1953
  • Psychologische Sprechstunden 1955 - 1990
  • Anfallsleiden, Neuromuskuläre Erkrankungen - seit 1956
  • Rheumatologie / Immunologie - seit 1956
  • Diabetes mellitus - seit 1958
  • Angeborene Herzfehler 1956 - 1994
  • Pulmologie /Allergologie - seit 1966
  • Hämatologie / Onkologie /Gerinnung - seit 1966
  • Nephrologie - seit 1968
  • Endokrinologie - seit 1971
  • Pubertätsstörungen / Intersexualität - seit 1971
  • Gastroenterologie - seit 1971
  • Phenylketonurie / Mukoviszidose - seit 1974
  • andere angeborene Stoffwechselstörungen - seit 1980
  • Impfsprechstunde - seit 1991
  • Wachstumsstörungen (Duales System / Cresc Net) - seit 1994
  • Umweltsprechstunde - seit 1998
  • Adipositas - seit 1998
  • Sprechstunde für Schreikinder - seit 2001

Leitende Schwestern der Polik​​​linik

1952 - 1957 Elfriede Lenz; 1957 - 1970 Meta Braunert; seit 1971 Bärbel Wiemert
Die Poliklinik der Universitätskinderklinik war lange Zeit eine kinderärztliche Versorgungseinrichtung der Stadt Leipzig und ihrer Umgebung. Vorwiegend wurden allgemeinärztliche Sprechstunden abgehalten und bis 1964 auch Hausbesuche durchgeführt.

​Dementsprechend hoch lagen die Konsultationszahlen, für die ab 1962 verlässliche Werte vorliegen (Grafik).
In ihnen sind auch die Konsultationszahlen des kinderärztlichen Notdienstes enthalten, die seit 1990 bei 5000 - 6000 Konsultationen/Jahr liegen. Mit der Verbesserung der kinderärztlichen Versorgung im Einzugsbereich gingen die Zahlen zurück.

Seit Mitte der 60er Jahre wurden zunehmend mehr Spezialsprechstunden etabliert (Tabelle). Seit 1964 werden in ihnen und in der allgemeinen pädiatrischen Sprechstunde Patienten ausschließlich nach Überweisung durch niedergelassene Kinderärzte betreut.

Der Inhalt (Text und Bild) dieser Seite sind Auszüge aus Postern anläßlich der 110-Jahr-Feier der Kinderklinik (Dez. 2001).
Text und Gestaltung der Poster: Cornelia Becker
Cornelia Becker (Medizinische Fakultät / Dokumentation - Öffentlichkeitsarbeit)
E-Mail: becc@medizin.uni-leipzig.de