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„Nach dem Schock kam das Glück“

​Das ist der totale Schock: Erst kommt der Anruf, dass ein Organ zur Transplantation vorhanden ist und er so schnell wie möglich in die Leipziger Uniklinik kommen soll. Nun sitzt er in der Klinik und ihm wird mitgeteilt, dass das Organ leider nicht für ihn geeignet ist. „Sie können wieder nach Hause fahren, tut uns wirklich leid."

„Das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens", blickt Jakob Temme zurück. „Ich stand kurz vor der Heilung. Innerlich war ich zerrissen zwischen Jubel über das Ende des ewigen Krankseins und der Betroffenheit, dass ja dieses Organ von irgendjemandem stammt. Und ehe ich diese Gedanken ordnen konnte, kam der Schock: Vergiss alles, das wird nichts mit der Transplantation. Das muss man erst einmal verkraften. Diese Hilflosigkeit, wieder die Krankheit, wieder das Warten. Ohne meine Familie und meine Freundin hätte ich das nicht weggesteckt. Nach diesem Schock kam dann das Glück, denn zwei Wochen später wurde ich erneut aus Leipzig angerufen. Und da hat alles wunderbar geklappt: Ich bekam eine neue Leber."

„In einem kleinen Teil der Fälle kann es passieren, dass sich das  angebotene Organ als nicht geeignet herausstellt", erklärt Prof. Dr. Daniel Seehofer, Leiter des Bereichs Leberchirurgie und viszerale Transplantation der Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie am UKL. „Denn: Ob das gespendete Organ für genau unseren Patienten individuell geeignet ist, kann abschließend erst bei der Organentnahme vor Ort geprüft werden. Im negativen Falle muss man dann – im Sinne des Empfängers – auf das nächste Organangebot warten, auch wenn das natürlich eine schwere Entscheidung ist."

Die Leidensgeschichte des heute 27 Jahre alten Jakob Temme begann sehr früh. Schon kurz nach seiner Geburt wurde klar, dass etwas nicht stimmt. Zum Erschrecken der Eltern – beide Mediziner – wurde das Baby gelb, die Laborwerte waren die reinsten Alarmsignale, die Ärzte standen vor einem Rätsel, nach einiger Zeit normalisierte sich der Gesundheitszustand und alles schien vorbei. Als erneut ein kleiner Temme geboren wurde und ebenfalls gelb wurde, war klar: Die Krankheit hatte genetische Ursachen. Und da bekam sie auch einen Namen: benigne rekurrierende intrahepatische Cholestase, kurz BRIC.

„In den ersten drei Lebensjahren hatte ich jeden Herbst einen sogenannten Schub, der mich für Monate lähmte. Dann war zehn Jahre nichts – bis die Pubertät kam", erzählt Jakob Temme. „Der erste Schub, den ich bewusst erlebte, hat mich sechs Monate umgehauen. Ich war total schockiert, begriff gar nicht, was los war. Zum Glück konnten meine Eltern die Krankheit gut einordnen, haben mich trotzdem gefordert, mich nicht immer nur bemitleidet. Ich ging zur Schule, auch wenn jedes Jahr dieser Schub kam, in dem es mir nicht gut ging."

Die Eltern fanden mit Prof. Thomas Berg, kommissarischer Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am UKL, einen Leberspezialisten, der die Behandlung des inzwischen 18-Jährigen übernahm und leider feststellen musste, dass sich die Krankheit verschlimmerte und sich eine Zirrhose entwickelte. Es handelte sich also nicht um eine „benigne", also gutartige rekurrierende intrahepatische Cholestase, sondern um eine fortschreitende „progrediente" familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC) mit ungünstiger Prognose. Im weiteren Verlauf wurden die Schübe immer heftiger, die Leberfunktion verschlechterte sich und eine Transplantation wurde unumgänglich.

„Nach der Operation war ich erst noch gelb, wie immer, wenn es mir schlecht ging", erinnert sich der heutige Student der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. „Aber nun ging die Farbe täglich zurück. Schon am Morgen nach der OP konnte ich mich wieder aufsetzen – toll. Und dann mit dem Rollator ein Stück laufen – ich war fix und fertig danach."

Heute ist Jakob Temme ein gesunder junger Mann, der sich seines Lebens freut. Alkohol und Zigaretten bleiben ein Tabu. „Ich empfinde eine große Dankbarkeit für die Organspende. Mit einer neuen Leber kann ich endlich wieder mit Freunden tanzen gehen, studieren und mit meiner WG kochen. Ein Neustart mit 25. Viele meiner Freunde und Freundinnen haben keinen Organspendeausweis, obwohl sie bereit wären, ihre Organe zu spenden. Deshalb: Lass deinen Worten Taten folgen."

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