Sie sind hier: Skip Navigation LinksUniversitätsmedizin Leipzig

„Man muss Menschen und Mücken im Blick behalten“

​​

Prof. Lübbert: Klimawandel wird uns neue Infektionskrankheiten bringen

Mediziner sind sich sicher: Durch den Klimawandel werden sich auch Infektionskrankheiten, die schon jetzt die zweithäufigste Todesursache weltweit darstellen, weiter ausbreiten. „Die Malaria wird zwar so schnell nicht zu uns kommen", sagt Prof. Dr. Christoph Lübbert, Leiter des Bereichs Infektions- und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig (UKL)​, „aber man muss Menschen und Mücken im Blick behalten, um diese Infektionskrankheit, die bis vor rund 150 Jahren in Deutschland in Form der Malaria tertiana noch relativ häufig vorkam und erst Mitte der 1950er Jahre ausgerottet wurde, in Schach zu halten."

Grundsätzlich werden durch Tiere auf den Menschen übertragene Krankheiten (Zoonosen) sowie Krankheiten, bei denen eine Übertragung vom Tier auf den Menschen und umgekehrt möglich ist (Anthropozoonosen), durch ein verändertes Klima beeinflusst. „Verlängerte Sommer und milde Winter bieten beispielsweise Zecken längere Aktivzeiten. Und diese Organismen mit ihren beim Stechakt übertragenen Krankheitserregern breiten sich weiter aus: Früher waren nur Bayern und Baden-Württemberg ein Risikogebiet für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME); heute sind es auch Sachsen und Thüringen. Deshalb rechne ich bei uns zunehmend mit mehr Erkrankungen, gleiches gilt für die Borreliose. Zudem kommen Krankheiten aus tropischen Gebieten zu uns, weil sich durch eine fortschreitende Erwärmung biologische Zyklen schließen können. Ich erinnere nur: Vor zwei Jahren hatten wir in Leipzig den ersten Toten durch das aus Uganda stammende West-Nil-Virus."

Der Leipziger Infektiologe warnt in diesem Kontext auch vor der Gemeinen Stechmücke (Culex pipiens), deren Stiche bisher nur lästig sind, die aber auch gesundheitlich zum Problem werden könnten: „Extreme Hitzeperioden im Spätsommer, wie wir sie ja schon erlebt haben, reichen aus, dass sich ein über Vögel eingeschlepptes tropisches Virus wie das West-Nil-Virus im Verdauungstrakt und den Speicheldrüsen der Mücken suffizient vermehrt und dann beim nächsten Stechakt auf den Menschen übertragen wird", so Prof. Lübbert.

Er sieht auch Möglichkeiten, dass die Leishmaniose zu uns einwandert – und zwar über infizierte Hunde aus Mittelmeerländern. Dort werden die Kleinstlebewesen namens Leishmanien durch Sand- oder Schmetterlingsmücken der Gattung Phlebotomus auf Hunde und Menschen übertragen. Kommen die Hunde zu uns, könnten aus dem Süden nach Deutschland eingewanderte Phlebotomus-Mücken auch bei uns zum Überträger werden.

Aber auch andere Vektoren (Überträger) breiten sich aus: Die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) beispielsweise hat sich inzwischen nach Deutschland vorgearbeitet. Auch wenn sie derzeit nur in einem Dreieck zwischen Freiburg i.Br., Fürth und Frankfurt/Main nachgewiesen wurde, macht nachdenklich, dass sie unter anderen das West-Nil-Virus, das Dengue-Fieber-Virus, das Chikungunya-Fieber-Virus und auch das Zika-Virus übertragen kann.

„Verschiedene Arbeitsgruppen des Robert-Koch-Instituts (RKI) beschäftigen sich mit den Problemen, die da langsam auf uns zukommen. Klar ist schon jetzt: Wir brauchen ein Monitoring, sowohl bei der Blutspende als auch bei den Überträgern, und wir müssen entschlossener impfen (beispielsweise bei der FSME) und auch neue Impfstoffe entwickeln (beispielsweise gegen das West-Nil-Fieber) und zur Zulassung bringen", so Prof. Lübbert. „Wir sollten uns aber auch vor Augen halten, dass wir Menschen der Natur immer weniger Lebensraum lassen. So rücken wir den Tieren und ihren Viren immer näher. Schon heute lassen sich mindestens 70 Prozent aller Infektionskrankheiten des Menschen auf Tiere als ursprüngliche Wirte zurückführen. Mit höheren Temperaturen, die Viren und anderen Krankheitserregern biologisch in die Hände spielen, und der wachsenden Lebensraumzerstörung wird die Situation nicht besser – eher im Gegenteil."​