Allergien, Feinstaub, Ozon: Die Lunge ist eines der am stärksten von klimatischen Veränderungen betroffenen Organe.
Die zunehmende Erwärmung des Klimas und häufigere Hitzeperioden sind keine guten Nachrichten für Menschen mit Atemwegserkrankungen und für Allergiker:innen. Die Feinstaubkonzentration der Luft steigt, die Pollensaison wird länger, Lungenkrankheiten nehmen zu. Bei Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD ist dann häufig eine Verschlechterung der Symptome zu beobachten. Die globale Klimaerwärmung setzt zunehmend Treibhausgase frei, Belastungen mit Luftschadstoffen nehmen ebenfalls zu. Besonders beeinträchtigend bei hohen Temperaturen: Feinstaub und Ozon. Wie die Effekte gerade in Großstädten abgemildert werden könnten, untersuchen unter anderem UKL-Expert:innen.
„Die Lunge ist eines der am stärksten von klimatischen Veränderungen betroffenen Organe", sagt Prof. Hubert Wirtz, Leiter des Bereichs Pneumologie des UKL. „Städter" seien dabei viel häufiger betroffen als Menschen, die auf dem Land lebten. Durch den hohen Versiegelungsgrad und der geringen Luftzirkulation herrsche in Städten von der Größe Leipzigs oftmals größere Hitze. „Je trockener und heißer die Luft, desto höher der Anteil von Feinstaub", erläutert der Lungenexperte. Viele Feinstaub-Partikel sind künstlichen Ursprungs, wie zum Beispiel Reifenabtrieb. Diese haben auf ihrer Oberfläche eher Platz für lungen-unfreundliche Stoffe wie Verbrennungsrückstände von Fahrzeugen als natürlicher Feinstaub.
„In Hitzeperioden steigt die Mortalität."
Eine hohe Ozonkonzentration wiederum kann menschliche Zellen schädigen. Bei Patienten mit Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD verschlechtere sich bei solchen Bedingungen die Situation, erläutert Prof. Wirtz. Und er wird noch deutlicher: „In Hitzeperioden steigt die Mortalität, also die Sterberate. Besonders betroffen sind COPD-Patienten. Dies kann man auch nicht mit Medikation zu 100 Prozent vermeiden." Für (Pollen-)Asthmatiker werde die „Saison" noch länger, da sie wegen immer früheren Pollenflugs bereits im Januar beginnen könne.
„Was wir am Leipziger Universitätsklinikum bereits jetzt feststellen können: Bei zehn oder mehr Tagen Hitze am Stück ist das Haus voll. Es kommen viele Patienten mit den unterschiedlichsten Beschwerden, nicht nur, aber auch mit Lungenproblemen", sagt Prof. Wirtz. Er habe den Eindruck, so der Pneumologe, dass an heißen Tagen gerade ältere Menschen gesundheitlich eher instabil seien. „Nicht neue Atemwegserkrankungen entstehen wegen der klimatischen Veränderungen, sondern bestehende Krankheiten zeigen mehr Symptomatik", fasst er die wohl bevorstehenden Veränderungen zusammen.
Apps für individuelle Allergie-Warnungen oder Renaturierungen ehemaliger Kohleförderflächen: UKL-Fachwissen vielfältig gefragt
Auch im mitteldeutschen Raum spürt man es bereits: Im Zuge der Klimaerwärmung und den milderen und kürzeren Wintern dehnen sich die Zeiten des Pollenflugs aus – Hasel, Birke oder Erle fangen eher an zu blühen. „Auf der anderen Seite werden in hiesigen Breiten zunehmend neue Pflanzenarten heimisch, die früher eher im mediterranen Raum beheimatet waren, wie Ambrosia oder der Götterbaum", erklärt Prof. Jan-Christoph Simon, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKL. „Diese blühen im Spätsommer und Herbst und verlängern so auch noch einmal die Pollenflugsaison." Hinzu käme, so der Experte, dass beispielsweise Ambrosia ein hohes Allergie-Auslösepotenzial besäße und in Leipzig schon an vielen Stellen zu finden sei.
Was können Betroffene tun? „Am besten Spezialist:innen aufsuchen, die wissen wirklich, wann welche Pollen fliegen", sagt Prof. Simon. Am Leipziger Universitätsklinikum ist das LICA (Leipziger Interdisziplinäres Centrum für Allergologie) angesiedelt. Hier werden – dank gebündeltem Fachwissen – Allergien auf höchstem medizinischem Niveau behandelt. Und die Datenquelle zu jeweils aktuellen Pollenflugsituation könnte näher nicht sein: Auf dem UKL-Dach steht der einzige elektronische Pollenmonitor Mitteldeutschlands. Auch eine aus den Erkenntnissen der Voruntersuchungen in Frage kommende Hyposensibilisierung sollte laut Prof. Simon auf jeden Fall in Expert:innen-Hände gelegt werden.
„Die Werkzeuge sind da."
UKL und LICA sind Teil mehrerer Forschungskonsortien, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie sich die Verbreitung der fremdartigen allergieauslösenden Pflanzen verhindern lassen. Denn: „Noch haben wir Möglichkeiten, die Verbreitung dieser Pflanzen einzudämmen", sagt UKL-Allergologe Jan-Christoph Simon. Sie müssten fachgerecht entfernt werden. Und da sie gern in Brachen und Freiflächen wuchern, bieten Prof. Simon und Kolleg:innen ihre Expertise und Beratung beispielsweise bei anstehenden Renaturierungen ehemaliger Kohleförderflächen an. Doch auch fachliche Ratschläge zu Fragen zu Stadtbegrünungen und Stadtrenaturierungen können sie geben. „Unsere Zusammenarbeit hier mit dem iDiV, dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, der Technischen Hochschule Ilmenau und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ist ein im besten Sinn interdisziplinärer Ansatz", so Klinikdirektor Simon.
Gut wäre nach seiner Ansicht ein Netz von elektronischen Pollenerfassungssystemen in Mitteldeutschland: „Dann könnte man Apps entwickeln, die individuell zugeschnittene Warnungen auf die Handys von Allergien Betroffener schicken, so dass diese nicht selbst aktiv werden müssten, schildert der Mediziner.
Mit dem Blick auf eine sich wahrscheinlich verschärfende Allergie-Situation versteht UKL-Experte Prof. Jan-Christoph Simon die Zusammenarbeit mit Expert:innen verschiedener Einrichtungen als Auftrag, das vorhandene Wissen zum Wohl und zum Schutz von vor Allergien betroffener Menschen einzusetzen: „Die Werkzeuge dafür sind da."