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Vom Hospital St. Jacob zum Universitätsklinikum Leipzig

1415 wird die Medizinische Fakultät an der Universität Leipzig gegründet. Die Ausbildung der Studenten ist lange Zeit vor allem theoretisch, erst Ende des 18. Jahrhunderts werden Sezierübungen eingeführt, die eine wesentliche Neuerung darstellen. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wird die Notwendigkeit der Unterweisung der Studenten am Krankenbett immer deutlicher – und auch in Leipzig nachdrücklich gefordert. Bis es jedoch so weit ist, vergehen noch einige Jahre. Vier Betten für „instruktive Kranke“ – 1799 beginnt im Rosental der Unterricht am Krankenbett.

Die Anfänge

​​Im städtischen Krankenhaus St. Jacob, 1566 ursprünglich als Pesthaus nahe des heutigen Zoologischen Gartens erbaut und in den folgenden Jahrhunderten um mehrere Gebäude erweitert, wird schließlich ein klinisches Institut mit vier Betten für „instruktive Kranke“
eingerichtet. Die erste Unterweisung für Studenten am Krankenbett wird im April 1799 abgehalten – die ersten bescheidenen Weichen in Richtung einer Universitätsklinik sind gestellt. Damit können nun regelmäßig Patientenuntersuchungen und „chirurgische Demonstrationen“ stattfinden.

Polikliniken versorgen mittellose Patienten und dienen der studentischen Ausbildung

​Zeitgleich findet langsam aber stetig eine Spezialisierung innerhalb der Medizin statt. Dieser tragen (Armen-)Polikliniken Rechnung, die in die praktische Ausbildung der Studenten einbezogen werden. Zunächst häufig als private Einrichtung der Professoren gegründet, werden sie erst später staatlich anerkannt und dann auch als klinische Einrichtungen der Medizinischen Fakultät angegliedert. In Leipzig entsteht Anfang des 18. Jahrhunderts beispielsweise ein Poliklinikum für erkrankte Kinder. Eine Heilanstalt für Augenkranke, gegründet von Friedrich Philipp Ritterich mit Spenden der Leipziger Einwohner, wird 1826 als öffentliche Anstalt zur Behandlung unbemittelter Kranker und für den studentischen Unterricht anerkannt. Sie befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Krankenhauses St. Jacob im Rosental.

Während das Jacob-Hospital mit mehreren Neubauten gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Ausstattung auf dem damals höchsten Niveau der Krankenpflege erhält und auch deshalb für die praktische Ausbildung der Medizinstudenten ausgewählt wird, hatte sich die Situation in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts grundlegend geändert. Carl Thiersch, der 1867 als ordentlicher Professor der Chirurgie nach Leipzig berufen wird, kommt hier nach eigener Aussage in eines der schlimmsten Krankenhäuser, das er je gesehen hat. Todesfälle nach Hospitalbrand oder Sepsis sind keine Seltenheit, und auch von den Leipziger Bürgern wird zunehmend der
Wunsch nach einem neuen Krankenhaus geäußert, weil das alte Hospital den Anforderungen nicht mehr genügt und seine Lage in sumpfigem Gelände für die Gesundheit der Patienten ebenfalls nicht gerade förderlich ist.

Ein Waisenhaus soll das neue Krankenhaus St. Jakob werden

In Zusammenarbeit mit dem damaligen Leipziger Bürgermeister Carl Wilhelm Otto Koch unterbreiten die beiden Medizin-Professoren Carl Thiersch und Carl Reinhold August Wunderlich Vorschläge für die Nutzung eines Waisenhauses im östlichen Stadtzentrum als ständiges Krankenhaus. Das Gebäude in der Waisenhausstraße (die heutige Liebigstraße, die ihren Namen seit 1880 trägt) war 1864 fertiggestellt worden, wurde jedoch nie für seinen ursprünglichen Zweck genutzt. Im Preußisch-Österreichischen Krieg mussten Verwundete untergebracht werden – das Haus wurde dafür zum Reserve-Lazarett. Dabei stellte man schnell fest, dass sich das Gebäude gut als Krankenhaus eignet. Die Idee, das Haus für immer dafür zu nutzen, wurde geboren.

Die Vorschläge von Thiersch und Wunderlich sehen vor, das Waisenhaus als zentrales Gebäude mit Baracken durch einen geschlossenen Gang zu verbinden. Während des US-amerikanischen Bürgerkrieges waren beim Hospitalbau in Barackenform gute Erfahrungen gemacht worden – in Leipzig sollen nun erstmals in Europa die flachen Gebäude im Rahmen eines ständigen Krankenhauses genutzt werden. Luft und Licht betrachtet Thiersch als „unbezahlte und unbezahlbare Hilfsärzte“ – mit dieser Bauweise können sie am besten zur Genesung der Patienten beitragen.

Ab 1868 wird das ehemalige Waisenhaus schrittweise als Krankenhaus genutzt. Nach dem Bau der ersten Baracken erscheint im Leipziger Tageblatt am 2. April 1871 eine Mitteilung: „Bekanntmachung: Nachdem das neue Krankenhaus in der Waisenhausstraße dem Betriebe übergeben worden ist, werden von Sonntag, dem 2. April an im alten Jakobshospitale Kranke nicht mehr aufgenommen. Der Rath der Stadt Leipzig“. Das neue „Städtische Krankenhaus zu St. Jakob“ wird mit zunächst 350 Betten offiziell eröffnet. Es bildet den Ausgangspunkt für die Entstehung des Medizinischen Viertels rund um die heutige Liebigstraße.

An der Liebigstraße entsteht Ende des 19. Jahrhunderts das Medizinische Viertel

​Innerhalb kürzester Zeit siedeln sich zahlreiche neue Institutsbauten an, darunter die Physiologische Anstalt von Carl Ludwig, die Pathologie und Anatomie. Außerdem entstehen bis zur Jahrhundertwende die Augenklinik, die Nervenklinik, das Pharmakologische Institut, in dem sich auch die Medizinischen und Chirurgischen Polikliniken befinden, sowie die Frauenklinik. 1910 wird das zahnärztliche Institut in Betrieb genommen, zwei Jahre später die Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.

Auch der Klinikkomplex des Jakobshospitals selbst wächst rasant an. Bis 1891 werden 24 Baracken errichtet, die Kapazitäten des Hospitals steigen auf 934 Betten.

Die Baracken gruppieren sich um eine Gartenanlage, deren zentraler Punkt mit seinem Springbrunnen auch heute noch als Schnittpunkt der Hauptwege im Park hinter der Frauen- und Kindermedizin existiert.

Bäckerei, Wäscherei, Anstaltsfeuerwehr – das Krankenhaus St. Jakob versorgt sich selbst

​Das Krankenhaus St. Jakob verfügt Ende des 19. Jahrhunderts über eine eigene Bäckerei, eine Wäscherei, eine Apotheke, eine Anstaltsfeuerwehr – besetzt mit Angestellten und ausgestattet mit einem „Feuerrequisitenwagen“ – ein internes Telefonnetz, das unter anderem die Baracken mit dem Hauptgebäude verbindet, sowie zwei Krankentransportwagen, die mit Pferden bespannt sind, für die es auf dem Gelände eigene Ställe gibt. Auch ein Gewächshaus und ein Kinderspielplatz gehören zum Krankenhaus.

Die Baracken bieten je nach Bauart Platz für 24 bis 44 Betten in großen Sälen, verfügen über Aufenthaltsräume für die Patienten, Räume für das Pflegepersonal und sind zum Teil bereits mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Jede Baracke besitzt außerdem einen Wäscheschrank, eine Teeküche und an einem Ende eine „Glasveranda“, die bei entsprechenden Temperaturen auch als Tagesraum genutzt wird.

Der 1. Weltkrieg bringt auch für das Klinikum St. Jakob einschneidende Veränderungen mit sich. Die Behandlung von Kriegsverletzten rückt stärker in den Fokus. So wird ein Lazarett mit 90 Betten für Soldaten mit schweren chirurgischen Eingriffen und 25 Betten für Verletzte im Hals-Nasen-Ohrenbereich eingerichtet, zudem gibt es ein Reservelazarett für Patienten mit kriegsbedingten Kiefer-Verletzungen. Die Aufrechterhaltung des Klinikbetriebes – und auch des Vorlesungsbetriebes an der Medizinischen Fakultät – stellt die Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Gleichzeitig können aufgrund des Krieges einige Vorhaben nicht mehr realisiert werden, darunter der Neubau einer Kinderklinik. Am Ende des 1. Weltkrieges sind mehr als 1000 Angehörige der Medizinischen Fakultät an der Front gefallen, unter ihnen sehr viele Studenten.

Sind die personellen und materiellen Erschwernisse der Nachkriegsjahre und zu Beginn der Weimarer Republik noch relativ groß und erschweren neben Lehre und Forschung auch die Krankenversorgung, so bringt die relative Stabilisierung Mitte bis Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts auch einen erneuten Aufschwung mit sich. 1928 wird der Neubau der Frauenklinik in der heutigen Philipp-Rosenthal-Straße eingeweiht. Neben 100 Krankenzimmern enthält der Gebäudekomplex auch Personalwohnungen – zehn für Verheiratete und 203 für Ledige.

Zwei Jahre später wird mit der Orthopädischen Klinik (heute Zentrum für Psychische Gesundheit) an der Semmelweisstraße eine der modernsten Einrichtungen in Europa übergeben. Für die Patienten gibt es Turnsäle und große Terrassen. Auch körperlich eingeschränkte Personen können sich in dem Gebäude leicht fortbewegen: In den Gängen sind lange Eisenschienen an der Decke angebracht, in denen sogenannte Laufkatzen laufen. Eine Hängevorrichtung, die unter den Armen oder am Kopf befestigt wird, ermöglicht es den Patienten, mit weniger Belastung und gesichertem Gleichgewicht ihre Gehübungen zu machen.

Gravierende Einschnitte im 2. Weltkrieg

​Mit Beginn des 2. Weltkrieges 1939 kommt es zu Einschnitten in der Krankenversorgung – diese werden umso gravierender, je weiter der Krieg fortschreitet. Viele Ärzte werden an die Front abkommandiert, die verbliebenen in die Betreuung der Verwundeten in den Reservelazaretten eingebunden. Auch für die Krankenschwestern und Pfleger ist insbesondere in den chirurgischen Bereichen die Belastung extrem hoch. Medikamente und viele weitere Hilfsmittel werden knapp.

Jüdische Unfallchirurgen werden während der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 gedemütigt und entrechtet, indem man ihnen teils die Promotion, Approbation bzw. die Kassenzulassung entzieht oder ihnen ein Lehrverbot erteilt. Viele von ihnen fliehen ins Ausland, einige in den Tod, fünf werden deportiert und drei ermordet. Zur Erinnerung an diese dramatischen Lebensgeschichten​ liegen heutzutage 36 Stolpersteine​ und 2 Stolperwellen vor dem Haupteingang der Universitätsklinikums Leipzig.

Bei den Bombenangriffen auf Leipzig werden insbesondere in der Nacht vom 4. Dezember 1943 die meisten Kliniken und Institute sehr schwer beschädigt oder völlig zerstört. Eine Behandlung von Patienten ist kaum mehr im notwendigen Umfang möglich. Stationen werden in andere Gebäude verlegt oder die Kranken und Verletzten gleich außerhalb Leipzigs versorgt. Einige Einrichtungen sind vorsorglich oder in Folge der Zerstörungen in das Umland verlagert worden.

Wiederaufbau, Neubau, Umbau für eine optimale Patientenversorgung

​In den ersten Jahren nach dem Kriegsende 1945 stehen in den Kliniken die Beseitigung der Kriegsschäden sowie eine bestmögliche Nutzung des noch vorhandenen Bestandes im Vordergrund. Zahlreiche Ruinen müssen abgerissen werden, Um- und Ausbauten machen neue Räume für die Behandlung von Patienten nutzbar. Später werden auch neue Gebäude errichtet. So wird beispielsweise 1954 das Frühgeborenenhaus auf dem Gelände der Universitätskinderklinik eingeweiht, schon Anfang der 50er-Jahre sind der Wiederaufbau von Frauen- und Augenklinik sowie der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten abgeschlossen.

1953 werden das Städtische Kinderkrankenhaus St. Jakob und das Städtische Kinderkrankenhaus mit den Universitätskliniken vereinigt und Eigentum der Universität. Die Sanierungs- und Umbauarbeiten gehen in den folgenden Jahrzehnten weiter - ab 1984 wird schrittweise das Bettenhaus in Betrieb genommen, welches bis 2009 für die Patientenversorgung genutzt wird. Auch nach der politischen Wende 1989/90 und der deutschen Wiedervereinigung gibt es im Medizinischen Viertel stetige bauliche und institutionelle Veränderungen. Seit 1999 bestehen die Medizinische Fakultät an der Universität Leipzig und das Universitätsklinikum Leipzig als Anstalt des öffentlichen Rechts in der heutigen Form.

Entlang der Liebigstraße wird seit Beginn des 21. Jahrhunderts wieder kontinuierlich gebaut: 2003 wird das Zentrum für Operative Medizin fertiggestellt, das an der Stelle des ehemaligen Jakobshospitals entsteht. 2007 nehmen die Einrichtungen im Zentrum für Frauen- und Kindermedizin ihre Arbeit auf, 2008 folgt das Zentrum für Konservative Medizin. Dabei wird in die Neubauten und Sanierungsarbeiten zum Teil auch die erhaltene Bausubstanz einbezogen. So ist beispielsweise im Gebäude der ehemaligen Medizinischen Klinik in der Johannisallee heute das Institut für Transfusionsmedizin mit der Blutbank untergebracht. Neben der Frauen- und Kindermedizin des Uniklinikums Leipzig beginnen 2016 die Arbeiten für einen weiteren Neubau an der Stelle des ehemaligen Bettenhauses. Das heutige          Haus 7 wird 2018 fertig gestellt und vereint mehrere Klinikbereiche unter einem Dach.