Eine erste Einschätzung zur Ursache einer Anämie erlaubt die Zahl der Retikulozyten im Blut. Retikulozyten sind noch nicht vollständig ausgereifte rote Blutzellen (Erythrozyten). Sie sind bei einer vermehrten Blutbildung häufiger in der Blutzirkulation nachzuweisen. Die Retikulozyten enthalten im Gegensatz zu Erythrozyten noch Reste von Nukleinsäuren und werden für die Untersuchung im Labor speziell gefärbt. Ihr normaler Anteil im Blut liegt bei 0,5 bis 1 Prozent. Erhöhte Retikulozytenzahlen sprechen für einen Blutverlust oder einen beschleunigten Zerfall der roten Blutkörperchen (Hämolyse) bei einer Anämie, erniedrigte Retikulozytenzahlen sprechen für eine Bildungsstörung der Erythrozyten im Knochenmark.
Für die Bewertung einer Blutarmut werden zusätzlich rechnerisch ermittelte Befunde herangezogen: MCH und MCV. Unter MCH versteht man den mittleren Hämoglobingehalt einer Zelle, unter MCV versteht man das mittlere korpuskuläre Volumen eines Erythrozyten.
Ist die Konzentration des roten Blutfarbstoffs niedrig (niedrige Hämoglobinwerte) und gleichzeitig auch die Zahl der Retikulozyten, sind diese sogenannten Erythrozyten-Indices sehr hilfreich, um die Ursache einer Anämie aufzudecken. So spricht ein niedriges MCH und ein niedriges MCV der Erythrozyten (hypochrom, mikrozytär) für eine Eisenmangelanämie.
Ein normales MCH und MCV (normochrom, normozytär) weist auf einen Mangel erythrozytenbildender Zellen im Knochenmark als Ursache der Anämie hin, dagegen finden sich charakteristischerweise ein erhöhtes MCH und erhöhtes MCV bei einem Vitamin-B12- und Folsäuremangel der Anämie, zum Beispiel bei Mangelernährung im Alter, bei Alkoholkrankheit oder chronischen Lebererkrankungen.
Besonders häufig ist die Eisenmangelanämie, die drei wesentliche Ursachen haben kann: Eisenmangel durch Blutverlust (Tumore, blutende Geschwüre, Menstruation), Eisenmangel aufgrund fehlender Zufuhr über die Nahrung oder Eisenmangel bei chronischen Entzündungen, da hier die Eisenspeicher blockiert sind und kein Eisen für die Blutbildung verwertet werden kann.
Bei einer Anämie, die durch eine chronische Entzündung verursacht wird, ist eine medikamentöse Eisengabe daher nicht sinnvoll. In diesem Fall können der Eisenmangel und die Blutarmut nur durch die Behandlung und Ursachenbekämpfung der Entzündung beseitigt werden.
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