5 Jahre nach Pandemiebeginn
Fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie blicken wir zurück – auf deren erste Monate am UKL und auf das, was davon bleibt
Am 24. März 2020 nahm das UKL die ersten Covid-19-Patienten auf. Die beiden Männer kamen per Flugzeug aus Bergamo.
Einer von ihnen, Felice Perani, konnte das UKL im Mai geheilt verlassen. Die Wochen vor diesem ersten stationären Fall waren aufregend: Seit Januar bereitete sich das UKL darauf vor, einer in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere unbekannten Infektionswelle zu begegnen.
Der Start kam früh: Als eine der ersten Einrichtungen bundesweit stellte das Institut für Virologie am 22. Januar einen Test für Verdachtsfälle des neuartigen SRAS-CoV-2-Virus zur Verfügung. Acht Tage später kam die Task-Force erstmals zusammen, aus der anschließend der streckenweise täglich tagende Krisenstab hervorging. Angesichts der allgemeinen Verunsicherung veröffentlichte das UKL am 4. Februar eine Internetseite mit Informationen zum Corona-Virus. Diese sollte bis zum Ende der Pandemie eine ständig aktualisierte und wachsende zentrale Informationsplattform bleiben.
Pandemiepläne wurden zu Makulatur
Am 27. Februar ging die erste von insgesamt 152 Corona-Update-Mails über den internen Mailverteiler. Ziel dieser neue Kommunikationsform: Die vielen, sehr schnellen Vorgänge im Haus transparent zu vermittelt und die Beschäftigten gut vorzubereiten. Denn die Pandemiepläne erwiesen sich als ungeeignet, alles musste neu gedacht werden. Im ganzen Klinikum liefen unzählige Prozesse gleichzeitig auf Hochtouren: Testungen wurden etabliert, Regelungen für den Umgang mit positiven Befunden erstellt, Abstimmungen mit anderen Kliniken und Behörden getroffen.
Der Einkauf musste angesichts eines leergefegten Marktes dafür sorgen, dass das UKL mit den nötigen Schutzmitteln und Materialien ausgestattet wird. Diese Aufgabe, die uns die Arbeit erst ermöglichte, wurde zu einem echten Krimi. Denn die Pandemie nahm zwar langsam, aber doch Fahrt auf: Am 2. März eröffneten die Infektiologen am UKL nach Provisorien die erste Corona-Test-Ambulanz in Leipzig. 200 Menschen kamen am ersten Tag, die Ambulanz hatte ab da an sieben Tagen in der Woche geöffnet. „Wir wurden völlig überrannt, die Telefone klingelten ununterbrochen. Meinen eigentlichen Dienst in der Infektiologie musste ich übergeben", erinnert sich Dr. Amrei von Braun an diese Zeit. Ärzte aus anderen Kliniken halfen in den kommenden Monaten mit aus, später dann auch Studierende.
Aufgabe der Pandemiebewältigung ließ Kräfte wachsen
Das Virus ließ nicht auf sich warten. Am 2. März gab es den ersten SARS-CoV-2 Fall in Sachsen, am 6. den ersten in Leipzig. Der erste positive Nachweis am UKL folgte am 8. März, ermittelt von der Virologin Dr. Melanie Maier. Dann kam ein Tsunami: Schon am 10. März zählte die Virologie 1000 Tests, die Kolleg:innen übernahmen sehr früh Testungen für andere Labore und Kliniken, mit hohem logistischen Aufwand. „Während des Lockdowns waren Corona-Tests faktisch unsere Hauptaufgabe", so Maier. Damit die Virologie jetzt nicht aufgrund einer Quarantäne plötzlich arbeitsunfähig wird, bildeten sich Teams, die untereinander keinen Kontakt haben durften. Zudem mussten stärkere Schutzmaßnahmen wegen der hohen Infektiosität des Virus umgesetzt werden. Angesichts des Arbeitsaufwands und der Tatsache, dass ein Ende nicht absehbar war, konnte die Virologie das nicht allein durchhalten. Und Hilfe kam: Kolleg:innen aus anderen Bereichen, vor allem der Biochemie, sprangen mit ein.
Parallel stand in dieser Zeit der Bereich 2 – Materialwirtschaft in einem weltweiten Kampf um eben die benötigten Schutzmittel. Masken, Handschuhe und Schutzkittel waren zwar noch vorhanden, aber Nachschub kaum zu beschaffen. Die Lieferketten rissen. Ein für das UKL bestimmter Laster aus Frankreich wurde einfach wieder abgeladen, weil die Grenzen geschlossen wurden. Vorprodukte aus Asien fehlten komplett, die Produktion in der gesamten EU stand still. „Jeder Tag fing an mit der Frage: Was fehlt heute? Welches Schiff hat nicht angelegt?", beschreibt Birgit Schultz, Leiterin des Bereichs 2, diese Zeit. Und dann mussten die Intensivstationen vorrangig ausgestattet, der Einsatz der Beatmungsmaschinen vorbereitet werden.
Draußen unheimliche Ruhe, drinnen alle gemeinsam an Bord
Während in der Corona-Ambulanz und Virologie die Welle rollte, der Einkauf rotierte, waren die Stationen und Ambulanzen des UKL in angespannter Warteposition. Die ersten positiven Fälle wurden ans Klinikum St. Georg verlegt, wo eine spezielle Infektionsstation unter der Leitung des UKL-Infektiologen Prof. Christoph Lübbert bereitstand.
Der normale Klinikbetrieb fuhr auf Sparflamme herunter: Ab 13. März galt im UKL ein Besucherstopp. Kurz darauf stand draußen die Welt still, die Straßen waren leer.
Drinnen wurde weiter vorbereitet. Drei Tage später lautete die erste Zeile der regelmäßigen Corona Update-Mail: „Die Situation gewinnt zunehmend an Geschwindigkeit, auch bei uns im Klinikum. Wir bereiten uns darauf vor, in Kürze in die direkte Versorgung der SARS-CoV-2 Patienten einzutreten. Oberste Maxime ist jetzt: Ruhe bewahren!"
Im inzwischen geltenden Lockdown sicherte das UKL ergänzend die Kindernotbetreuung für die eigenen Mitarbeiter, setzte eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen um. „Unsere größte Herausforderung war, die Arbeitsfähigkeit des UKL durch ausreichend Personal sicherzustellen", schildert Sandra Kuwatsch, die damalige Leiterin des Bereichs 4 - Personal, die Situation. „Das Erstaunliche war – es waren faktisch alle an Bord. Wir hatten in dieser Phase tatsächlich immer genug Personal". Bis zum 25. März hatten sich zudem 1170 freiwillige Helfer am UKL registriert, darunter viele ehemalige Kolleginnen und Kollegen.
Dann kamen die ersten Covid-19-Patienten ans UKL: In den frühen Morgenstunden des 24.03. wurden zwei Patienten aus dem Krankenhaus „Papa Giovanni XXIII" in Bergamo nach Leipzig einflogen, die ersten ausländischen Patienten, die zur Behandlung nach Deutschland kamen. Die beiden 57-jährigen Männer wurden von zwei Teams der KAI am Flughafen Leipzig/Halle abgeholt und auf der Station IOI-D auf Grund ihres COVID-19-Lungenversagens behandelt. Damit war die Pandemie am UKL endgültig angekommen.
Jeder Tag war anders
Das Klinikum lief weiter, wenn auch mit angezogener Handbremse: Die elektiven Eingriffe waren eingeschränkt, die Ambulanzen ebenso. Durch die Ausgangsbeschränkungen brauchten die UKL-Beschäftigten einen Nachweis für den Weg zur Arbeit in Form ihres Dienstausweises, in der Cafeteria wurden die Sitzplätze gesperrt. Es galt ein Abstandsgebot und Kontaktvermeidung auch für die Pausen. Es folgten Monate mit vielen Änderungen: Die Regelungen wurden immer wieder angepasst, die Zahl der betroffenen Patient:innen stieg, auch die der betroffenen Mitarbeiter. Am 29. Dezember war der vorläufige Höchststand der Covid-19-Belegung am UKL erreicht: 37 Patient:innen waren auf der ITS, 77 auf der Normalstation. Am gleichen Tag starteten die ersten internen Corona-Impfungen, für die ein eigenes Impfzentrum aus dem Nichts aufgebaut wurde. So ging das UKL in das zweite Pandemie-Jahr.
Die Belegungszahlen stiegen, auf 40 auf ITS und 96 auf Normalstation im Januar 21. Das UKL versorgte damit nicht nur in Leipzig mit Abstand die meisten Covid-19-Erkrankten, sondern gehörte auch bundesweit zu den Kliniken mit der höchsten Zahl an Covid-Patienten.
Am Ende waren es bis Ende 2024 insgesamt 6150 Corona-Fälle, davon 1286 intensivpflichtige. Der Höhepunkt war 2022 mit 441 ITS-Fällen und 2244 auf Normalstation. Im Februar 2021 gab es eine Gedenkfeier für verstorbene Patient:innen, deren Zahl in den vorangehenden Monaten viel höher lag als je zuvor. Drei Jahre dauerte es, bis alle internen Maßnahmen vollständig aufgehoben wurden. Im März 2023 endete die Testpflicht, das Testzentrum, das zwischenzeitlich fast das einzige in Leipzig war, schloss seine Türen.
Großartige Solidarität über alle Schranken hinweg wird bleiben
Was bleibt? - Diese Frage stellten wir einigen der Menschen, die in den Pandemiemonaten an Schlüsselstellen standen. Rückblickend erinnern sich alle vor allem an das Gefühl der großen Zusammengehörigkeit und Solidarität, an die vielen durchaus mutigen Kolleg:innen, die bereit waren, die Ärmel hochzukrempeln und an vorderster Front zusammenzuarbeiten. „Was in Erinnerung bleibt, ist unser Zusammenhalt, die umfassende Bereitschaft bei allen unseren Beschäftigten, über die Belastungsgrenzen zu gehen, um diese Aufgaben gemeinsam zu bewältigen", sagt Prof. Christoph Josten, Medizinischer Vorstand des UKL. „Wir wussten, da kommt ein Tsunami, aber wir wussten nicht, mit welcher Wucht er uns treffen würde. Auf das, was dann kam, hatte uns nichts vorbereitet. Und dennoch waren alle da."
Sehen Sie dazu auch unseren Video-Rückblick fünf Jahre nach Corona. (Link)