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Notfallmediziner und Kardiologen warnen vor Auswirkungen großer Hitze

​​​Der Klimawandel ist unter anderem gekennzeichnet durch einen Anstieg der mittleren Umgebungstemperatur. Hitzeperioden werden häufiger und können stärker ausgeprägt sein. Dies stellt Ärzt:innen und Patient:innen vor neue Herausforderungen. Vor allem Herz-Kreislauf-Kranke und generell ältere Menschen leiden unter extremen Temperaturschwankungen. Notfallmediziner:innen und Kardiolog:innen des UKL sind sich dieser Situation bewusst und stellen sich bereits heute darauf ein.

Sind etliche Tage im Sommer am Stück heiß, steigt auch in Notfallaufnahmen wie der des UKL die Zahl der Patient:innen. Viele Menschen leiden dann unter der Hitze. Vor allem ältere Menschen. Nicht wenige trinken dann zu wenig, der Kreislauf kommt durcheinander, ebenso der Wasser- und Elektrolyt-Haushalt, ihnen wird schwindelig, manche kollabieren. „Diese Exsikkose oder Dehydratation genannte Austrocknung des Körpers ist eine der indirekten Folgen sehr warmer Perioden und kann für Senioren sehr gefährlich sein, wenn es hierdurch zu einem Nierenversagen kommt", erläutert Prof. André Gries, Ärztlicher Leiter der Zentralen Notfallaufnahme (ZNA) des UKL​. Daneben gibt es noch direkte Folgen durch unmittelbare Sonneneinstrahlung, etwa nach langem Aufenthalt im Freien: „Bei einem Hitzschlag wird eine Hirnfunktionsstörung ausgelöst, das Hirn dehnt sich aus, der Hirndruck steigt. Daraus können Lähmungserscheinungen oder auch eine Ohnmacht entstehen", so Prof. Gries. Nicht zu unterschätzen sei aber auch starker Sonnenbrand, schmerzhaft wie eine Verbrennung.

Besonders für sogenannte multimorbide Patient:innen ist nach Aussage des UKL-Notfallmediziners eine vermehrte Flüssigkeitsabgabe verheerend. Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankte, Diabetiker:innen oder Menschen mit einer Nierenfunktionsstörung. „Die von Hitzeauswirkungen betroffene Risikogruppe wird größer. Steigt dann auch die Zahl der Tage mit großer Hitze bei uns, führt das zu mehr Patienten und im schlimmsten Fall an Krankenhäusern zu Unterbringungsproblemen", wagt Prof. Gries einen Ausblick. Doch der Notfall-Experte nimmt noch andere Gefahrenseiten in den Blick: „Wie in der jüngeren Vergangenheit bereits geschehen, kommt es auch in Hitzeperioden zu schlagartig auftretenden sehr starken Niederschlägen mit Überschwemmungen oder hoher Unfallgefahr zum Beispiel durch umgestürzte Bäume."

Und ein weiterer Aspekt ist dem ZNA-Leiter wichtig: „Die Hitzeeinwirkungen auf den Körper betreffen ja nicht nur die Patient:innen, solche Tage oder Wochen sind dann auch schwierig für unsere Mitarbeiter:innen, gerade bei körperlich belastender Tätigkeit", erklärt Prof. André Gries.

Bei welcher Temperatur versterben die wenigsten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Was längere Hitzeperioden verursachen können, scheint aus der Sicht eines Kardiologen auf den ersten Blick nicht ganz so eindeutig zu sein: „Bekannt ist, dass bei Kälte mehr Herzinfarkte oder Schlaganfälle auftreten", sagt Prof. Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am UKL​. Daraus könne man allerdings nicht schließen, dass mehr Wärme wiederum etwas Gutes für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei. H​itze habe ausgeprägte Effekte auf die körperliche Gesundheit, und Austrocknungen, veränderte Nierenfunktionen und akute Kreislaufbelastungen wie Hitzschläge stimulierten so natürlich auch kardio-vaskuläre Erkrankungen.

Interessant findet Prof. Laufs die Erkenntnisse aus einer Studie aus Spanien, die sich mit der sogenannten idealen, mittleren Umgebungstemperatur beschäftigt hat. „Hier wurde über viele Jahre das Sterberegister abgeglichen mit den Tagestemperaturen und der Frage nachgegangen, wann gab es die wenigsten Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die spanische Studie nennt für den Zeitraum 1980 bis 1994 eine Temperatur von 19 oder 20 Grad als ideal. Bei geringerer, aber eben auch bei höherer Temperatur steige demnach das Risiko exponentiell an. Zwar könne sich diese Idealtemperatur je nach geographischer Lage unterscheiden. „Doch extreme Ausreißer der optimalen Temperatur nach beiden Seiten können für unsere Patient:innen in der Kardiologie gefährlich werden", erklärt der UKL-Experte.

Eigentlich passe sich die Thermoregulation des Menschen über die Haut, die Schweißproduktion und den Kreislauf an veränderte Bedingungen an, meint Laufs weiter. „Das legt nahe, dass dies auch bei steigenden Umgebungstemperaturen der Fall ist. Doch gerade bei Älteren oder Gefäßerkrankten reduziert sich dieser Effekt."

Gerade Niere und Herz hingen eng zusammen, erklärt der Kardiologe. Bei vielen seiner Patient:innen sei die Nierenfunktion bereits eingeschränkt. „Wenn sich dies durch hitzebedingte Einflüsse weiter verschlechtert, gefährdet das möglicherweise den Patienten ganz entscheidend."

Herzkranke trügen bei Hitze ein besonderes Risiko und sollten sich mehr als andere schützen, empfiehlt Prof. Laufs. Treten Symptome von Hitzefolgen auf, sollten Betroffene im besten Fall gekühlte Räume aufsuchen, eventuell die Kleidung befeuchten und langsam kleine Schlucke Wasser zu sich nehmen und im Zweifelsfall eine Klinik aufsuchen.

Aus Sicht von UKL-Herzexperte Prof. Ulrich Laufs steht mit Blick auf Klimaveränderungen nicht mehr die Frage im Raum, ob etwas passiere. „Entscheidend ist das Ausmaß der Veränderungen, auf die wir uns einstellen müssen."​​​