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Es wird heißer und trockener

​Veränderungen des Klimas in Form der Erderwärmung zeigen sich ganz besonders deutlich als Extremwetterlagen: Stürme, Starkregen mit folgenden Fluten, Hitzewellen, Brände und Dürren. Inzwischen ist all das nicht mehr weit weg, sondern geschieht direkt zum Teil vor unserer Haustür, und zwar zunehmend häufiger. Hitzewellen und folgende große Waldbrände wüteten nicht nur im hitzegewohnten Australien, sondern zuletzt auch in Griechenland und Spanien. Und auch in Deutschland werden die Sommer heißer und trockener, auch wenn es in den vergangenen zwei Jahren temperaturtechnisch gesehen eine Verschnaufpause gab. In diesem Frühjahr meldete dann aber Indien Hitzerekorde von bis zu 50 Grad, und auch hierzulande startete das Frühjahr mit deutlich wärmeren Temperaturen.

Besorgniserregende Daten, denn gerade Hitzewellen belasten die Gesundheit. Ab 35 Grad im Schatten werden die Temperaturen schlechter vertragen, steigen diese über 42 Grad, wird es lebensgefährlich. Denn steigt die Körperkerntemperatur auf 42 Grad Celsius an, ist der menschliche Körper nicht mehr lebensfähig.

„Problematisch ist es vor allem, wenn Hitzeperioden länger andauern – einzelne Tage mit hohen Sommertemperaturen machen uns dagegen keine Sorgen", erklärt Prof. Matthias Knüpfer. Der Neonatologe engagiert sich mit Kolleg:innen in der UKL-Gruppe von „Health for Future" und blickt damit auch sehr aufmerksam auf das, was sich hier als Aufgabe für das Gesundheitswesen anbahnt. Denn die Auswirkungen der Wetterveränderungen werden in den Arztpraxen und Krankenhausstationen schon spürbar beziehungsweise als bevorstehende Entwicklung erkennbar. Dank wärmerer Temperaturen wandern Pflanzen, zum Beispiel die Beifuß-Ambrosia, und Insekten ein, die Allergien auslösen und bisher in Mitteleuropa unbekannte Infektionskrankheiten übertragen können. Längere Blühperioden erhöhen die Pollenbelastungen und nehmen Allergikern die Luft, höhere Ozon- und Feinstaubkonzentrationen verschlimmern Atemwegserkrankungen, insbesondere bei Asthmatikern. Heiße Tage belasten das Herz-Kreislaufsystem, die Haut, die Nieren und auch die Psyche. Ganz zu schweigen von Verletzungen infolge von Unwettern oder extremer Hitze. „Der Klimawandel macht uns derzeit nicht direkt krank, aber er führt dazu, dass sich bestehende Erkrankungen verschlechtern und sich das Risiko für gesundheitliche Schäden erhöht", erklärt Dr. Benjamin Ackermann, ebenfalls Mitglied der engagierten Klimagruppe. „Wir Mediziner wissen das, und wissen auch, dass wir die Folgen der Umweltversäumnisse in unserem Alltag ganz direkt ausbaden werden."

Was das genau heißt, ist für die Frühgeborenenmedizin bereits in einigen Studien untersucht worden. „Während Hitzewellen steigt das Risiko für eine Frühgeburt um 15 Prozent, die Gefahr, dass das Kind mit einem niedrigeren Geburtsgewicht auf die Welt kommt, sogar um ein Drittel", beschreibt die Kinderärztin Dr. Friedericke Jonas. Eine hohe Feinstaubbelastung wirkt sich ebenfalls auf Schwangerschaften aus und kann zu mehr Frühgeburten führen. Auch die Zahl von Totgeburten steigt - um 14 Prozent. „Das sind Entwicklungen, die uns ganz klar Sorge bereiten", so Jonas.

Schwangere gehören damit zusammen mit Neugeborenen und Kleinkindern, Senioren oder chronisch Kranken zu den durch die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels besonders gefährdeten Gruppen. Im Gesundheitswesen Tätige wie die „Health for Future"-Gruppe am UKL fordern daher dazu auf, jetzt mit der Vorsorge zu beginnen und Vorbereitungen zu treffen. „Wir müssen uns überlegen, wie wir die Menschen schützen können und haben das Thema schon an unseren Vorstand herangetragen.", erläutert der Kinderarzt Dr. Rudi Ascherl. Die Krankenhäuser und Praxen dürfen nicht alleingelassen werden bei der Bewältigung dieser zu erwartenden Entwicklungen. „Eine Lösung wäre die Entwicklung und Umsetzung eines Hitzeaktionsplans, der auf möglichst vielen Schultern ruht", beschreibt Prof. Knüpfer. „Damit würden in einer Kommune alle für einen Hitzeschutz nötigen Aktivitäten geplant und mit allen Beteiligten koordiniert – von der Stadtreinigung, die mit Wassersprühfahrzeugen Staub und Hitze auf den Straßen verringern könnte über Maßnahmen in Betreuungseinrichtungen wie Schulen, Kitas, Pflegeheimen bis hin zu Abstimmungen mit Kliniken und dem Rettungsdienst." 

Die Ideen dazu gibt es, Städte wie Wien, Köln und Mannheim setzen diese auch bereits um. Und Leipzig? Ein Hitzeaktionsplan wurde bislang nicht für die Stadt Leipzig erarbeitet", sagt Peter Wasem, Leiter des Amtes für Umweltschutz. Die Verwaltung hat sich allerdings das Ziel gesetzt, diesen bis zum II. Quartal 2023 aufzustellen. „Die Erarbeitung erfolgt dabei federführend durch das Amt für Umweltschutz unter Beteiligung zahlreicher Ämter der Stadt Leipzig wie z. B. dem Gesundheitsamt, Sozialamt und dem Amt für Stadtgrün und Gewässer, weiterer Einrichtungen des Gesundheitssektors wie Kliniken, Krankenkassen und Kammern und der Stadtgesellschaft." Ein guter und richtiger Schritt, sind die „Health for Future"-Vertreter überzeugt.           

Wichtig sei aber auch, das Thema insgesamt mehr ins Bewusstsein zu rücken, auch und gerade bei Ärzt:innen. Dazu wird es in Leipzig nun auch in die studentische Lehre integriert. Erste Umsetzungen gibt es bereits - ein Seminar in der Umweltmedizin behandelt Klimafolgen für die Kindergesundheit und ab dem Wintersemester 2022 wird erstmals ein Wahlpflichtfach „planetary health academy" angeboten, mit einem breiten Blick auf medizinische Klimafolgen. „Die Ärzt:innen der Zukunft werden das nicht ausblenden können", ist Prof. Knüpfer überzeugt. „Aber wir müssen auch jetzt bereits dafür kämpfen, dass sich etwas ändert – die Vorschläge dazu sind da."