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"Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist"

​Gemäß dieser Aussage des Künstlers und Inaugurators des Stolpersteinprojekts, Gunter Demnig, trafen sich von nah und fern Vertreter der DGU-Senatoren, der DGU-AG Ethik, Recht und Geschichte sowie der DGOOC, um am 9. November 2019 ihrer 36 verstorbenen jüdischen Mitglieder zu gedenken. Nach Pflege der 2 Messing-Stolperschwellen und der 36 Stolpersteine erinnerte Christoph Josten (Medizinischer Vorstand des Uniklinikums Leipzig) an die vielfältigen Imponderabilien bis zur Findung deren geeigneten Platzes, letztlich dann vor dem Haupteingang zum Operativen Zentrum in der Liebigstraße 20, einem Ort mit großem Begängnis. Der Autor dieses Berichts brachte zum Ausdruck, dass auf Initiative von Prof. Jürgen Probst (1927 - 2016) schließlich am 30. November 2017, bewusst am Ort der Gründung der DGU am 23. September 1922 in Leipzig, ein in der Öffentlichkeit sichtbares Mahnmal für deren jüdische Mitglieder geschaffen wurde. Hans-Jörg  Oestern rief deren Namen, angefangen von Georg Willy Alexander-Katz bis Henry Wolfskehl, ins Gedächtnis. Egmont Scola und Michael Roesgen verlasen die kurzgefassten, berührenden Lebensgeschichten der beiden Leipziger jüdischen Kollegen, Sanitätsrat Dr. med. Hans Isidor Bettmann und dessen Sohn PD Ernst Bettmann, was den einen oder anderen Passanten zum Zuhören verfing. Eine vom Leiter der *AG Ethik, Recht und Geschichte der DGU verfasste Rede wird hier wegen ihrer aktuellen Bedeutung wiedergegeben:

​"Mit dem Gedenken an die Vergangenheit tut sich unsere, an der Gegenwart orientierte und auf die Zukunft hoffende Gesellschaft, schwer. Erst aufgerüttelt durch unausweichlich das Bewußtsein beanspruchende Ereignisse, wie jüngst den antisemitischen Terroranschlag in Halle, werden wir einmal mehr nachdenklich. Der 9. November heute vor 30 Jahren war ein Freudentag und er strahlt auch auf den heutigen Sonnabend aus. Der 9. November vor 81 Jahren setzte die Initialzündung von der Entwicklung eines occulten Antisemitismus hin in offene, rohe, desavouierende Gewalt gegen Juden, die keine Grenze mehr kannte. Das Ergebnis kennen wir, unter den Folgen leiden wir wie unter einer Erbsünde. Damals benahmen sich die Deutschen nicht wehrhaft gegen Terror und Ausgrenzung. Und heute? Wie weit sind wir wehrhaft gegen Hetze, Verleumdung, Mobbing, Parolen, völkisches Denken? Wie wehrhaft sind der Staat, die Gesellschaft, der Einzelne gegen ethische Grenzüberschreitungen?

Wir beschäftigen uns als AG Ethik, Recht, Geschichte in der Medizin mit Grenzfragen der menschlichen Existenz, insbesondere der uns anvertrauten Patienten. Wir loten diese Grenzfragen aus in ihrer aktuellen Bedeutung für Betreuung, Fürsorge, Zuwendung und Behandlung. Die Grundlage bildet nach wie vor der Hippokratische Eid. Ihn zu beachten ist unsere Pflicht, die Menschen zu respektieren und zu betreuen unsere Aufgabe.

Mit unserem heutigen Gedenken an diesem Eingang zum Klinikum, das von so vielen Hilfe suchenden Menschen beansprucht wird, wollen wir auch verhindern, dass nicht in späteren Jahrzehnten neue Stolpersteine infolge Ausgrenzung von neuen Minderheiten gepflastert werden müssen. Das Gedenken an die unselige Vergangenheit darf deshalb nicht verblassen, sondern muß vertieft werden, so wie wir heute die Stolpersteine aufpoliert haben. Seien wir wachsam, sowohl fachlich- medizinisch als auch gesellschaftlich- politisch. Die Meinungsfreiheit darf ethische Leitlinien nicht überspringen. Halle war ein Signal, das Progrom vom 9. November 1938 war ein Signal, dessen Fernwirkung wir heute hier erleben. Mögen die Lehren aus der Vergangenheit für unsere Zukunft und die Zukunft der uns folgenden Generationen immer präsent bleiben."

Mitglieder der DGU beim Gedenktag 2019

Mitglieder der DGU beim Gedenktag 2019

​Die Senatoren der DGU und die Mitglieder der AG Ethik, Recht und Geschichte wollen zweimal jährlich die Stolpersteine pflegen und am 9. November jeweils mit Verlesen der Lebensläufe weiterer Kollegen dem Vergessen entgegenwirken. ​