Sie sind hier: Skip Navigation LinksUniversitätsmedizin Leipzig

Pressemitteilung vom 07.03.2022

Offener Brief der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG): Online-Register gefährdet Versorgung mit Geweben

DGFG appelliert an Gesetzgeber, Gewebespende in Gesetzesreform der etablierten Praxis angemessen zu berücksichtigen / UKL ist Gesellschafter

Logo der DGFG

Logo der DGFG

Ein offener Brief von Deutschlands größter Gewebespendeeinrichtung zum neuen Gesetz zur Stärkung
der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende:

Am 1. März 2022 trat das neue Gesetz zur Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in Kraft
mit dem Ziel, die Situation in der Organspende zu verbessern und letztlich dem Mangel an
Transplantaten entgegenzuwirken. Mit eingeschlossen ist dabei auch die Gewebespende, auch wenn
der Name dieser Gesetzesreform dies nicht verlauten mag. Das mit dem Gesetz verbundene Online-
Register, welches das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte derweil einrichtet, gilt
sowohl für die Dokumentation der Entscheidung zur Organspende als auch zur Gewebespende. Das
Bundesinstitut verteilt für den Zugriff auf dieses Register sogenannte Verordnungsermächtigungen an
ausgewählte Personen, um im Einzelfall die Entscheidung des potentiellen Spenders bzw. der
potentiellen Spenderin zu überprüfen. Dabei völlig außer Acht gelassen und im Gesetz nicht mit
berücksichtigt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gewebespendeeinrichtungen. Ändert sich
an dem bereits in Kraft getretenen Gesetz bis zum Registerstart nichts mehr, besteht die Gefahr, dass
eine Vielzahl an Gewebespenden nicht mehr realisiert werden kann und sich damit die
Patientenversorgung mit Gewebetransplantaten in Deutschland erheblich verschlechtert.
Mitarbeitende von Gewebespendeeinrichtungen als auskunftsberechtigte Personen im Gesetz nicht
berücksichtigt. 

Die Gesetzesreform sieht vor, dass die Auskunft aus dem Online-Register nur an einen Arzt oder
Transplantationsbeauftragten erfolgen darf, der 1. "von einem Krankenhaus dem Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte als auskunftsberechtigt benannt wurde" und 2. "weder an der
Entnahme noch an der Übertragung der Organe und Gewebe des möglichen Organ- oder
Gewebespenders beteiligt ist und auch nicht Weisungen eines Arztes untersteht, der an diesen
Maßnahmen beteiligt ist" (TPG § 2a Absatz 4). Somit dürften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
DGFG selbst keine Auskunft aus dem Register erhalten. Der Arzt oder Transplantationsbeauftragte darf
zwar die Information an eine Gewebespendeeinrichtung weitergeben. Die DGFG befürchtet an dieser
Stelle jedoch, dass die Bereitschaft zur Auskunft über die im Register hinterlegten Informationen zur
Gewebespende bei den Ärzten schwindet. Es werden jedes Jahr weitaus mehr Gewebespenden als
Organspenden realisiert. Ist an dieser Stelle der Prozess jedes Mal an die Verfügbarkeit eines Arztes
oder Transplantationsbeauftragten zusätzlich gebunden, kostet dies Zeit und vermutlich auch den
Erfolg der Gewebespende. Bereits über Jahre aufgebaute, erfolgreich etablierte Spendeprozesse
werden in Folge ausgebremst. Die Reform führt dann zum kompletten Gegenteil: zum großen
Hindernis insbesondere in der Gewebespende.


Aktuelle Reform gefährdet erfolgreiche Gewebespende und Patientenversorgung
Seit gut 15 Jahren wird die Gewebespende unabhängig von der Organspende in Deutschland realisiert.
Am 1. August 2007 trat das sogenannte Gewebegesetz in Kraft: Das Gesetz über Qualität und Sicherheit
von menschlichen Geweben und Zellen wurde am 25. Mai 2007 vom Bundestag verabschiedet.
Inzwischen führen in der DGFG, Deutschlands größter Gewebespendeeinrichtung, über 50
Koordinatorinnen und Koordinatoren zusammen mit sechs Ärztinnen und Ärzten täglich zahlreiche
Gewebeentnahmen durch - mit Erfolg. Sie sind diejenigen, die innerhalb der vergangenen 15 Jahre
über 29.000 Gewebespenden realisieren und damit mehr als 61.000 Patientinnen und Patienten mit
Gewebetransplantaten helfen konnten. Täglich erhält die DGFG tausende Meldungen potentieller
Spenderinnen und Spender, die stets gründlich auf ihre Eignung überprüft werden. Hierbei werden oft
auch die zuletzt behandelnden Ärzte auf den Klinikstationen kontaktiert. Jede potentielle Spende
beansprucht personelle Ressourcen, sowohl der Gewebespendeeinrichtung als auch der Klinik. Der
zeitliche Druck ist gleichzeitig hoch. Herzklappen und Blutgefäße müssen binnen 36 Stunden,
Augenhornhäute innerhalb von 72 Stunden ab Todeseintritt entnommen worden sein. Spricht aus
medizinischer Sicht nichts gegen eine Spende kommt es zum entscheidenden Schritt: der Klärung, ob
eine Entscheidung zur Gewebespende bereits vorliegt. Hier käme dann das künftige Online-Register
ins Spiel. Nun droht der DGFG als Gewebespendeeinrichtung, fortan keine Auskunft über die dort
dokumentierte Entscheidung zu erhalten. Aus diesem Grund bittet die DGFG den Gesetzgeber
darum, die bereits in Kraft getretene Reform um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von
Gewebespendeeinrichtungen als auskunftsberechtigte Personen, die vom Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte ebenfalls ernannt werden sollen, zu erweitern.


Gesetz zur Stärkung der Organspende ist noch lange nicht praxistauglich
Die DGFG ist mit ihrer Kritik an der Reform zur Organ- und Gewebespende nicht allein. In dem von der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Beitrag vom 2. März 2022 wurde deutlich, dass auch
an anderen Stellen im Gesetz Nachbesserungsbedarf besteht, um Recht und etablierte Praxis in
Einklang zu bringen. Letztlich verfolgen alle Institutionen, Politikerinnen und Politiker das gleiche Ziel:
die Organ- und Gewebespende zu verbessern mit einer Reform, die mehr Steine aus dem Weg räumt,
statt sie hineinzulegen.


Gewebegesetz
Das Gewebegesetz setzt die EU-Richtlinie (EG-Geweberichtlinie 2004/23/EG) aus dem Jahr 2004 um, die
europaweit einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Gewebeprodukte schaffen soll. Diese
Standards betreffen die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und
Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. Das Gewebegesetz wurde als Artikelgesetz über
Änderungen insbesondere im Transplantationsgesetz (TPG) und Arzneimittelgesetz (AMG) umgesetzt.
Ferner sind das Transfusionsgesetz (TFG) sowie die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und die
Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe (AMGrHdlBetrV) betroffen.


DGFG
Die gemeinnützige Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) fördert seit 1997 die
Gewebespende und -transplantation in Deutschland. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre ist es der DGFG
gelungen, die Patientenversorgung mit Gewebe wie Augenhornhäuten, Herzklappen, Blutgefäßen oder
Amnionmembranen erheblich zu verbessern. Die Wartezeiten für ein Augenhornhauttransplantat konnten
von bis zu einem Jahr auf nur wenige Wochen reduziert werden. Allein in 2021 hat die DGFG mithilfe der
rund 2.900 realisierten Gewebespenden über 7.000 Patientinnen und Patienten mit Gewebe zeitnah und
sicher versorgt. Von 1997 bis 2007 organisierte die DGFG noch als Tochtergesellschaft der DSO (als
sogenannte DSO-G) die Gewebespende. 2007 kam es mit Inkrafttreten des Gewebegesetztes zur
räumlichen und rechtlichen Trennung von der DSO und zur Gründung der DGFG. Seitdem realisiert die DGFG
eigenständig und unabhängig die Gewebespende. Die Basis bildet das freiwillige Engagement der Kliniken,
die sich über die Jahre dem Netzwerk angeschlossen haben und der DGFG potentielle Gewebespenderinnen
und -spender melden.

Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende
gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre
Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische
Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige
Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen:
Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig,
die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-
Klinikum Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung durch
die Netzwerkpartner und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder kommerziellen Interessen einzigartig in
Deutschland.

​Haben Sie Fragen?

Für allgemeine Fragen wenden Sie sich an die Zentrale (24h).

0341 – 97 109

Kontakt für Medien-Vertreter:innen

Gern vermitteln wir Ihnen Expert:innen und unterstützen Sie bei Drehanfragen.

Universitätsklinikum Leipzig

Helena Reinhardt
0341 – 97 15905

 

Medizinische Fakultät

Peggy Darius
0341 – 97 15798

 

​Hinweise zu den Fotos

Wir weisen darauf hin, dass unsere Fotos ausschließlich im Zusammenhang mit den Pressemitteilungen verwendet werden dürfen. Eine weitergehende Nutzung bedarf der vorherigen ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung.