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Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

​​​​​​​​​​​​​​​​In unserer Spaltsprechstunde behandeln wir Patienten mit Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten. Die Spaltsprechstunde findet in der Ambulanz der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie in der Liebigstraße 12, Haus 1 statt (Erdgeschoss) statt.

Ziel der Sprechstunde ist es, alle Spaltpatienten der Universitätsmedizin Leipzig einmal jährlich interdisziplinär zu untersuchen (kieferchirurgisch, kieferorthopädisch und logopädisch), und entsprechend dem Leipziger Konzept der Rehabilitation von Patienten mit Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten zu beraten sowie weitere Behandlungsmaßnahmen abzustimmen. Dazu sollten sich die Patienten jeweils zu ihrem Geburtsmonat anmelden. Zu Beginn erfolgt die Behandlung mit Trinkplatten, um den Babies die Nahrungsaufnahme zu erleichtern und die Gewebe für anstehende operative Eingriffe vorbereiten zu können.

Eine Reihe von Behandlungsmaßnahmen sind notwendig, die zeitlich in einem bestimmten Ablauf erfolgen. Damit kann derzeit eine optimale Versorgung der Spaltbildung gewährleistet werden.

In der folgenden Tabelle ist der zeitliche Ablauf und die interdisziplinäre Koordination der Behandlungsmaßnahmen dargestellt. Je nach Art und Ausprägungsgrad der Spaltbildung sind nur einige oder alle der aufgeführten Behandlungsschritte erforderlich.

​Alter​kieferchirurgische Maßnahmen​kieferorthopädische Maßnahmen​HNO/Logopädie
1. Lebenswoche​-​Abdrucknahme u. Anfertigung der sog. Trinkplatte nach Hotz/ Gnoinski​-
3. - 4. LebensmonatLippenverschlussAnfertigung weiterer Trinkplatten​Ohrmikroskopie / Pädaudiogramm, ggf. Paukenröhrchen einsetzen
7. - 9. LebensmonatGaumenverschlussmit Gaumenverschluss Ende der Plattentherapie​ggf. Entfernung des Paukenröhrchens, weitere Kontrollen durch HNO-Arzt
6. - 7. Lebensjahrggf. Velopharynxplastik​bei ausgeprägten skelettalen Abweichungen: Beginn der kieferorthopädischen Behandlung nach Frontzahnwechsel
Frühbehandlung
Kontrolle der Sprache, ggf. logopädische Begleitbehandlung
ab 9. LebensjahrKieferspaltosteoplastik​​kieferorthopädische Hauptbehandlungsphase: kieferorthopädische Vorbehandlung für die KieferspaltosteoplastikKontrolle der Sprache, ggf. logopädische Begleitbehandlung
ab 12. Lebensjahrggf. sekundäre Korrekturen an Oberlippe und Nase​weitere kieferorthopädische Behandlung zur Ausformung der Zahnbögen nach KieferspaltosteoplastikKontrolle der Sprache, ggf. logopädische Begleitbehandlung
ab 16. Lebensjahrggf. sekundäre Korrekturen nach Wachstumsabschluss
Dysgnathie-Operationen
​kieferorthopädische Vor- und Nachbehandlung für notwendige
sekundäre Korrekturen
(Dysgnathie Operationen)
Sprachkontrolle​

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Säuglingsalter – operativer Gaumenverschluss mit der Trinkplatte

Bei Neugeborenen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sind Mund und Nasenraum nicht getrennt. Dadurch kommt es zur Beeinträchtigung der Trinkfunktion, des Atmens, des Schluckens, der Lautbildung und der Gesichtsmimik. Um diese lebenswichtigen Funktionen zu verbessern, sollte bereits in den ersten Lebenstagen die kieferorthopädische Behandlung des Säuglings mittels einer Trinkplatte angestrebt werden. Weiterhin ist auch die Kieferform durch die Spalte stark verändert. Mit Hilfe der Trinkplatte kann schon in den ersten Lebenswochen das Wachstum gesteuert werden.

Ein Versäumnis der Behandlung oder Nichttragen der Platte macht es zu einem späteren Zeitpunkt schwierig und meist nur durch zusätzliche Operationen möglich, die Fehlstellung des Kiefers, der Milchzähne und der bleibenden Zähne zu korrigieren.​

Funktion der Trinkplatte

Normalisierung der Trinkfunktion

DN​ie normalerweise vorhandene Trennung von Mund- und Nasenraum wird bei Säuglingen mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten durch die Trinkplatte erzielt. Dadurch kann beim Saugen ein gewisser Unterdruck erzielt werden und die Nahrungsaufnahme wird verbessert. Oftmals ist mit Hilfe der Trinkplatte und viel Geduld sogar ein Stillen des Kindes möglich.

Normalisierung der Zungenlage

Eine weitere wichtige Funktion der Gaumenplatte ist die Normalisierung der Zungenlage. Das Einlagern der Zunge in den Spaltbereich wird verhindert und die eigentliche Positionierung der Zunge am Gaumendach begünstigt. Die richtige Zungenlage ist vor allem bei der Sprachentwicklung und bei der Ausbildung des Schluckmusters von entscheidender Bedeutung.

Korrekte Einstellung der Oberkiefersegmente

Durch die Spaltung des Kiefers und des Gaumens kommt es zu einer Formabweichung des Kieferbogens. Die Kiefersegmente sind meist eingefallen, d.h. der Abstand der Kieferhälften zueinander ist zu gering. Gleichzeitig ist vor allem das große Segment nach oben zur Nase geschwenkt. Mit Hilfe der Trinkplatte ist es möglich, im Bereich der Spaltpole durch Hohllegen bzw. Freischleifen der Platte das Wachstum gezielt zu beeinflussen. Kraftimpulse der Zunge auf die Platte formen ebenfalls die Segmente aus und beeinflussen die Stellung dieser zueinander vorteilhaft.

Stimulation der Lippenmuskulatur

​​Die Ausdehnung der Trinkplatte umfasst nicht nur den Spaltbereich am Gaumen sondern reicht bis in die Umschlagfalte. Die Muskulatur wird dadurch stimuliert, und der Säugling versucht, die Platte möglichst in korrekter Lage muskulär zu fixieren. Eine Kräftigung der Lippenmuskulatur ist das gewünschte Resultat, um beim Lippenverschluss mit 4 - 5 Monaten ein möglichst optimales Ergebnis erzielen zu können.​

 


 

Herstellung einer Trinkplatte

Für die Herstellung der Trinkplatte ist es notwendig, bereits in den ersten Lebenstagen des Säuglings mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte Abdrücke des Ober- und Unterkiefers zu nehmen, die die genaue Situation der Kiefer wiederspiegeln. Die Modellvermessung erfolgt mittels eines 3-dimensionalen Mikroskops und ermöglicht so eine genaue Diagnostik für eine gezielte Beeinflussung des Wachstums der Kiefersegmente.

Die Ausdehnung der Trinkplatte erstreckt sich über den gesamten Gaumen und über die Spaltsegmente bis in die Umschlagfalte. Gleichzeitig endet die Platte am hinteren Gaumen mit einem Gaumenfortsatz, der die Gaumenmuskulatur in diesem Bereich stimulieren soll und gleichzeitig die Trennung zur Nase beim Schlucken ermöglicht. Die Trinkplatte besteht aus zwei Arten von Kunststoff. Im Gaumenbereich wird zur ausreichenden Stabilitätsgewährung harter Kunststoff und im Bereich des Kieferkamms und den hartbleibenden Kern bedeckend, weichbleibender Kunststoff verwendet. Letztgenannter kann sich bei Körpertemperatur dem Kiefer anpassen und verhindert damit das Entstehen von Druckstellen.​

Handhabung der Trinkplatte

Die Trinkplatte sollte idealerweise bereits unmittelbar nach der Geburt getragen werden, um oben beschriebene Funktionen zu verbessern und eine schnelle Gewöhnung des Säuglings sicherzustellen. Dabei soll ein ständiges Tragen - nicht nur beim Trinken! - gewährleistet werden. Der Säugling kann mit Hilfe der Platte einen gewissen Unterdruck beim Saugen erzielen und die spezielle Gestaltung im vorderen Gaumenbereich ermöglicht das Stillen des Kindes. Nach jeder Mahlzeit sollte die Trinkplatte mit lauwarmen Wasser gesäubert werden. Die Gaumenplattentherapie wird bis zum operativen Verschluss des Gaumens im 9. - 11. Lebensmonat fortgeführt. Kontrolluntersuchungen finden aller 2 Wochen statt und aller 4 Wochen wird in der Regel eine neue Trinkplatte angefertigt.​

Vorbehandlung für den Verschluss der Kieferspalte

Der Verschluss der Kieferspalte ist für die Einordnung der spaltbegrenzenden Zähne und die Stabilisierung des Oberkieferzahnbogens erforderlich. Der günstigste Zeitpunkt für den Verschluss der Kieferspalte ist dann gegeben, wenn die Wurzel des spaltbegrenzenden Zahnes zu 2/3 ausgebildet ist. Dadurch kann der Zahn im Verlaufe des weiteren Durchbruchs in den Zahnbogen eingeordnet werden und den in die Kieferspalte eingebrachten Knochen durch Umbauvorgänge stabilisieren.

Der Verschluss der Kieferspalte kann je nach Verlauf der Spalte für die Einordnung des seitlichen Schneidezahnes (Abb. 1) oder für die Einordnung des Eckzahnes bei vorhandenem (Abb. 2 und 3) oder aplastischem (nicht angelegten) seitlichen Schneidezahn erforderlich sein.

          Abb.1

Der Verschluss der Kieferspalte erfolgt durch Einlagerung von körpereigenem Knochen, der während der Operation aus dem Beckenkamm entnommen wird. Voraussetzung dafür ist die entsprechende Breite des Oberkiefers, da durch die Einlagerung von Knochen die Segmente des Oberkiefers zueinander fixiert werden und eine Dehnung des Oberkiefers danach nur schwer möglich ist und meist dazu führt, dass der eingebrachte Knochen schwindet.


Abb. 2

Abb. 3


Da die Patienten mit Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten spaltbedingt einen schmalen Oberkiefer haben, ist eine kieferorthopädische Vorbehandlung im Sinne einer Dehnung des Oberkiefers für die Operation meist unbedingt notwendig. Die Dehnung des Oberkiefers erfolgt in Abhängigkeit von dem Ausmaß der Diskrepanz zwischen Ober- und Unterkiefer mit einer herausnehmbaren Platte (Abb. 4) oder einer festsitzenden Gaumennahterweiterungsapparatur (Abb. 5).

Abb. 4Abb. 5
Oberkieferdehnplatte​Gaumennahterweiterungsapparatur


Beide Apparaturen besitzen eine Schraube, durch deren Aktivierung der Oberkiefer gedehnt wird. Bei einer transversalen Diskrepanz (Breitendiskrepanz) zwischen Ober- und Unterkiefer bis zu 4 mm erfolgt die Dehnung des Oberkiefers mit der Oberkieferdehnplatte (Abb. 4). Bei der Oberkieferdehnplatte handelt es sich um eine herausnehmbare Zahnspange, die in der Mitte eine Schraube zu Weitung des Oberkiefers besitzt. Die Schraube wird alle 5 Tage in Pfeilrichtung um eine Vierteldrehung (= 0,24 mm) aktiviert, bis die gewünschte Breite des Oberkiefers erreicht ist. Sie ist möglichst Tag und Nacht zu tragen und sollte nur zum Essen, beim Sport und zur Reinigung herausgenommen werden.

Bei einer erforderlichen Weitung des Oberkiefers von mehr als 4 mm wird dies mit der Gaumennahterweiterungsapparatur durchgeführt (Abb. 5). Dies ist eine festsitzende Apparatur, bei der die Dehnschraube je nach Anweisung des Kieferorthopäden 1 oder 2 mal täglich (= 0,24 bis 0,48 mm) aktiviert wird.



 

    Abb. 6

Mit dieser Apparatur kann also in einer relativ kurzen Zeit eine starke Dehnung des Oberkiefers erreicht werden. Dies sollte nur unter strenger Kontrolle des Kieferorthopäden ( alle 7 - 10 Tage) erfolgen. Durch die schnelle Weitung des Oberkiefer entsteht zunächst eine Zahnlücke zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen des Oberkiefers (Abb. 6) die sich dann aber in einem von ca. 2 - 3 Monaten selbständig teilweise oder vollständig wieder schließt (Abb. 7).


Abb. 7

Abb. 8


Nach der Einheilung des in die Kieferspalte eingelagerten Knochens ( 6 - 8 Wochen) erfolgt in der Regel eine kieferorthopädische Weiterbehandlung mit einer Multibandapparatur (festsitzende Zahnspange) zur Ausformung der Zahnböge

(Abb. 8).​

Sekundärkorrekturen – Lippen-, Kiefer- und Gaumenespalten

​Sobald abzusehen ist, dass die spaltbedingten Abweichungen nicht rein kieferorthopädisch zu behandeln sind bzw. nur durch risikoreiche Zahnbewegungen erreichbar wären, ist eine chirurgische Sekundärkorrektur in Betracht zu ziehen. Die Entscheidung für eine Sekundärkorrektur wird nach Durchbruch bzw. Einstellung aller bleibenden Zähne getroffen. Wird zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung für eine Sekundärkorrektur getroffen, ergibt sich meist zunächst eine kieferorthopädische Behandlungspause, da die chirurgischen Sekundärkorrekturen erst nach Abschluss des Wachstums, d.h. bei Mädchen frühestens zwischen dem 17. und 18. Lebensjahr und bei Jungen frühestens zwischen dem 18. und 19. Lebensjahr durchgeführt werden können.

Die kieferorthopädische Vorbehandlung für die chirurgischen Eingriffe beginnt ca. 1-1,5 Jahre vor dem operativen Eingriff. Ziel der Vorbehandlung ist es, die durch die individuelle Anomalie entstandene, kompensatorische Stellung der Zähne so zu korrigieren, dass jeder Kiefer für sich gesehen einen harmonischen Zahnbogen aufweist. Dies führt meist dazu, dass sich der Ausprägungsgrad der Anomalie zunächst verstärkt, d.h. z.B. ein offener Biss öffnet sich weiter oder eine umgekehrter Frontzahnüberbiss verstärkt sich. Nur so kann erreicht werden, dass die beiden Kiefer nach dem abschließenden chirurgischen Eingriff optimal zueinander passen.

Nach dem chirurgischen Eingriff ist eine kieferorthopädische Nachbehandlung zur Stabilisierung des Ergebnisses erforderlich.​

 

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