Prof. Georg Schomerus: „Stigmatisierung von Suchtkrankheiten ist ein enormes Behandlungshindernis“ | | <img alt="Prof. Georg Schomerus leitet die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL). Er sagt, die meisten Menschen mit Alkoholabhängigkeit blieben unbehandelt." src="/presse/PressImages/pic_20220629103806_ca89c0554c.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2022-06-28T22:00:00Z | Leipzig. Als Stigma bezeichnen Wissenschaftler ein Merkmal, das dazu führt, dass eine Person von anderen ausgegrenzt und abgewertet wird. Wer stigmatisiert wird, wird pauschal mit negativen Vorurteilen in Verbindung gebracht, seine soziale Identität ist beschädigt.
Besonders stark stigmatisiert sind Suchtkrankheiten wie zum Beispiel Alkoholabhängigkeit. Menschen, die daran leiden, benötigen Unterstützung und eine gute Behandlung. Die gesellschaftliche Stigmatisierung steht dem allerdings oft im Weg.
Prof. Georg Schomerus, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) hat gemeinsam mit dem US-amerikanischen Sozialpsychologen Patrick Corrigan nun ein Buch herausgegeben, das die vielen Facetten des Stigmas von Suchtkrankheiten beschreibt und Lösungen aufzeigt. | <p>Das Buch stellt Berichte von Betroffenen über ihre Erfahrungen von Stigmatisierung neben wissenschaftliche Beiträge, die Möglichkeiten der Entstigmatisierung aufzeigen.</p>
<p>Es ist ein belastender Kreislauf: Die Angst vor Abwertung durch andere führt bei Betroffenen zur Geheimhaltung. Selbst mit Ärzt:innen unvoreingenommen über Alkoholkonsum oder andere Substanzen zu sprechen, wird als schwierig empfunden. Bereits die Hemmschwelle, sich selbst gegenüber Substanzprobleme einzugestehen, ist hoch, will doch niemand zur Gruppe der Menschen mit Suchtproblemen gehören.<br>"Viele Menschen mit Suchtproblemen werden auch tatsächlich schlechter behandelt. Patienten berichten, dass alle Beschwerden zunächst auf die Sucht zurückgeführt werden, dass ausdrücklich oder oft auch zwischen den Zeilen vermittelt wird, sie seien doch selbst schuld an ihren Problemen", berichtet Prof. Schomerus.</p>
<p>Alkoholprobleme zum Beispiel sind weit verbreitet: 6.7 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland konsumieren gesundheitsschädliche Mengen Alkohol. Dieser ist für etwa zehn Prozent aller Todesfälle verantwortlich und eine wichtige Ursache nicht nur für Lebererkrankungen, sondern auch für Unfälle, Herz-Kreislauferkrankungen und sogar für Krebs. Denn nicht jedem ist wohl bekannt: Alkohol ist eine krebserregende Substanz - wohl vier Prozent aller Krebsfälle weltweit werden unmittelbar durch Alkoholkonsum verursacht.  "Trotzdem bleiben die meisten Menschen mit Alkoholabhängigkeit unbehandelt", erklärt der <a href="/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie">UKL-Klinikdirektor</a>. "Stigmatisierung ist hier, wie auch bei anderen Substanzproblemen, ein enormes Behandlungshindernis."</p>
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<p><strong>Betroffenen selbst kommt wichtige Rolle beim Kampf für eine bessere Behandlung zu</strong></p>
<p>Prof. Schomerus' gemeinsam mit dem US-Sozialpsychologen Patrick Corrigan herausgegebenes Buch "The Stigma of Substance Use Disorders" ist bei Cambridge University Press erschienen und enthält Betroffenenberichte und zeigt mögliche Wege zur Entstigmatisierung auf. "Mir ist es besonders wichtig, dass wir wegkommen von den Schuldzuschreibungen. Gerade beim Thema Alkohol wird längst noch nicht alles getan, was für eine wirkungsvolle Prävention notwendig wäre", sagt der Psychiatrie-Experte. "Der Pro-Kopf Alkoholkonsum in Deutschland ist einer der höchsten weltweit, deutlich höher als etwas in Italien, Frankreich, Österreich oder Polen. Es ist scheinheilig, dann mit dem Finger auf diejenigen zu zeigen, die eine Abhängigkeit entwickeln."</p>
<p>Eine wichtige Rolle beim Kampf gegen die Stigmatisierung und für eine bessere Behandlung komme den Betroffenen selbst zu. Menschen, die Suchtprobleme überwunden haben, seien Vorbilder und besäßen Lebenserfahrung, die kein Therapeut mit seinem Fachwissen ersetzen könne, erklärt er. Wünschenswert wäre, so Prof. Schomerus, Menschen mit eigener Suchterfahrung noch viel enger in die Behandlung einzubinden. "Da Suchtprobleme oft mit anderen körperlichen und psychischen Krankheiten einhergehen, darf deren Therapie nicht von der übrigen Medizin abgetrennt sein", fordert der Sozialpsychiater.</p>
<p>"Suchtprobleme sind so häufig, dass sie überall adressiert werden müssen. Je früher man über problematischen Substanzkonsum spricht, desto leichter ist es, schädliche Gewohnheiten zu ändern. Dabei zählt jede kleine Reduktion, jede Verbesserung. Ein Schwarz-Weiß-Denken, das nur die Langzeitabstinenz als Erfolg und alles andere als Scheitern abtut, hilft überhaupt nicht weiter."</p>
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<p><strong>Buch:</strong></p>
<p>Prof. Georg Schomerus, Patrick Corrigan: "The Stigma of Substance Use Disorders"</p>
<p>Cambridge University Press, 2022</p> |
Wenn Mutter- oder Vatersein nicht glücklich macht | | <img alt="Prof. Christine Rummel-Kluge, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, bei einer Videosprechstunde. Die zu ihrer Klinik gehörende Spezialambulanz für peripartale Depressionen hat nun ihr Angebot erweitert." src="/presse/PressImages/pic_20220615105137_385db9a3f1.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2022-06-14T22:00:00Z | Leipzig. Eine Geburt ist ein freudiges Ereignis. Was aber, wenn sich das Glücksgefühl einfach nicht einstellen will, wenn stattdessen die Welt dunkler erscheint? Für etwa 10 bis 15 Prozent der Mütter trifft das zu, sie entwickeln während oder nach der Schwangerschaft eine Depression. Aber auch Väter können von einer solchen peripartalen psychischen Störung betroffen sein. Für diese Eltern bietet das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) seit kurzem ein erweitertes Hilfsangebot in einer Spezialambulanz an. | <p>"Traurige junge Mütter kommen in unserer Welt ja eigentlich nicht vor", beschreibt Prof. Christine Rummel-Kluge, Oberärztin an der <a href="/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie">Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig</a>, das Problem. "Aber die Glückserwartung, die üblicherweise an den Familienzuwachs geknüpft wird, stellt sich nicht immer ein." Stattdessen beherrschen Schlafstörungen, gedrückte Stimmung, starke Müdigkeit bis hin zu Suizidgedanken den Alltag in mancher frischgebackenen oder werdenden Familie. Überwiegend betroffen sind Mütter, aber auch bei Vätern kann durch das lebensverändernde Ereignis einer Geburt eine Depression ausgelöst werden. </p>
<p>Diese aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs auch Wochenbettdepression genannte psychische Erkrankung betrifft alle Lebensbereiche und kann große Einschränkungen verursachen - auch in der Entwicklung der Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Beziehung. "Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene möglichst früh professionelle Hilfe und damit die Chance auf eine Besserung erhalten", beschreibt Prof. Rummel-Kluge die Aufgabe, die sich das Team der UKL-Spezialambulanz für peripartale (die Geburt betreffende) psychische Erkrankungen gestellt hat. </p>
<p>Deren Angebot wurde jetzt erweitert, so dass den Betroffenen mehr Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen. "Wir haben in den Pandemiemonaten einen gestiegenen Bedarf gesehen, auf den wir damit reagiert haben", so die Psychiaterin. Hintergrund sind vermutlich die Einschränkungen der Sozialkontakte in den vergangenen zwei Jahren. "Für Menschen mit psychischen Störungen war das ein zusätzliches Risiko, denn alle Angebote, die sonst Halt und Struktur gegeben haben, sind ersatzlos entfallen", erklärt Prof. Rummel-Kluge die Zusammenhänge. "Damit sind dann die Mütter und Eltern allein mit ihren belastenden Gedanken und Stimmungen, was diese wiederum verschlimmert." </p>
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<p>Damit in solchen Situationen schnell Abhilfe geschaffen werden kann, wurden am UKL die Kapazitäten in der Ambulanz aufgestockt und mehr Kurse angeboten, sobald dies möglich war, auch wieder in Präsenz. Kinder können mitgebracht werden, lange Wartezeiten gibt es hier nicht: "Wer sich bei uns in der Ambulanz mit behandlungsbedürftigen Symptomen meldet, wird unmittelbar betreut", so Rummel-Kluge. </p>
<p>Als solche Symptome gelten länger als zwei Wochen anhaltende starke Anzeichen einer Depression wie Antriebs- und Freudlosigkeit, Schuldgefühle oder Zwangsgedanken. "Unsere Patient:innen wissen in der Regel sehr gut, wann es sich bei ihnen um mehr als normale Erschöpfung handelt und die Situation Hilfe erfordert," sagt Rummel-Kluge.   </p>
<p>Dank der verschiedenen Therapieoptionen, zu denen auch medikamentöse Hilfe gehören kann, tritt die Besserung dann oft auch sehr schnell ein. "Manche haben Angst, dass eine psychiatrische oder psychotherapeutische Betreuung dazu führen, dass sie das Kind verlieren", sagt Prof. Rummel-Kluge. "Aber unsere Aufgabe besteht gerade darin, den Betroffenen so zu helfen, dass sie sich gut um ihr Kind kümmern können - also das genaue Gegenteil." </p>
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<p><strong>Spezialambulanz für peripartale psychische Erkrankungen am UKL </strong></p>
<p>Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br>Universitätsklinikum Leipzig<br>Semmelweisstraße 10</p>
<p>Telefon: 0341-97 24304</p><p>Weitere Informationen zur Ambulanz finden Sie <a href="/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie/Seiten/ambulanzen.aspx#Ambulanz%20f%c3%bcr%20peripartale%20psychische%20Erkrankungen" target="_blank">hier</a>.</p>
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Die subjektive Seite der Schizophrenie: Vom Bruch zur Entwicklung | | <img alt="Leitet die Tagung "Die subjektive Seite der Schizophrenie" in Leipzig: Prof. Georg Schomerus, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKL" src="/presse/PressImages/pic_20220531111541_869dd919b8.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2022-05-30T22:00:00Z | Leipzig. Vom 1. bis 3. Juni 2022 findet in Leipzig die Tagung "Die subjektive Seite der Schizophrenie" statt. Über 250 Professionelle, Betroffene und Angehörige aus allen Teilen Deutschlands, aus Österreich und der Schweiz treffen sich in der Michaeliskirche am Nordplatz und diskutieren über Brüche und Entwicklungen im Umgang mit Schizophrenie. | <p>"Die Pandemie war für uns alle ein Bruch, eine enorme Belastung und eine Herausforderung, Dinge zu verändern", sagt Prof. Georg Schomerus, Leiter der Tagung und Direktor der <a href="/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie">Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig</a>. "Brüche sind oft unvermeidlich - sie können aber auch der Beginn einer Entwicklung sein." <br><br></p>
<p>Auf der Tagung werden kontroverse Themen behandelt. Der Bedarf an Psychotherapie ist auch durch die Pandemie enorm gestiegen, bestimmte Bevölkerungsgruppen haben es dabei aber noch schwerer als andere, einen Platz zu bekommen. Wie kann man Menschen mit Schizophrenie mehr Psychotherapie ermöglichen? "Wenn über psychische Krankheiten gesprochen wird, dann häufig über Depressionen", sagt Prof. Schomerus. "Das reicht aber nicht aus. Menschen mit Schizophrenie zum Beispiel sind mit besonders viel Unverständnis und Ablehnung konfrontiert, das wollen wir ändern."<br><br></p>
<p>Auch die Frage, was eigentlich genau eine psychische Krankheit ist, wird auf der Tagung thematisiert. Und ob es einen Unterschied gibt zwischen den weit verbreiteten Verschwörungstheorien, etwa im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, und krankhaften Wahnvorstellungen. Eine Podiumsdiskussion wird sich der schwierigen Frage widmen, ob und in welchem Ausmaß Unfreiheit im Umgang mit psychischen Störungen notwendig sein kann. </p>
<p><br>"Wir freuen uns sehr auf die Tagung", so Schomerus. "Es wird sicher kontrovers, aber das ist notwendig, um neue Sichtweisen zu ermöglichen."</p>
<p><strong><br>"Psychiatry Slam" und Workshops </strong></p>
<p><br>Ein Höhepunkt der Tagung ist der "Psychiatry Slam" am 2. Juni. Eine Reihe von Teilnehmer:innen hat kurze Videos erstellt, die eine ganz persönliche Sichtweise auf Brüche und Entwicklungen bieten. Die Filme werden im Rahmen der Tagung am Donnerstagabend in der NATO gezeigt und am Freitag mit den Autoren diskutiert. Workshops bei Leipziger Initiativen wie dem "Durchblick", dem "Wege e.V." oder dem Verein "Offener Dialog" ergänzen das Programm und zeigen, dass Leipzig einer überaus lebendige und aktive Szene hat, die vielfältige Angebote für Menschen in psychischer Not bereithält. Hier sieht Schomerus eine besondere Stärke der Stadt: "Dafür ist Leipzig bekannt: Alle Akteure im Umfeld und außerhalb der Psychiatrie arbeiten eng und konstruktiv zusammen. Das ist wirklich vorbildlich."</p>
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Corona kann auch die Psyche krank machen | | <img alt="Prof. Georg Schomerus berichtet bei "Medizin für Jedermann" am 9. Februar unter anderem über mögliche neurologische und psychische Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung." src="/presse/PressImages/pic_20220204103543_c1e4bd6716.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2022-02-03T23:00:00Z | Leipzig. Die Folgen der Corona-Pandemie für die Psyche stehen im Mittelpunkt der nächsten Folge von "Medizin für Jedermann", der Vortragsreihe des Universitätsklinikums Leipzig. Prof. Dr. Georg Schomerus, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wird dabei berichten, welche psychischen Folgen durch eine Corona-Erkrankung auftreten können: "Nach einer Infektion können nicht nur körperliche, sondern auch neurologische und psychische Langzeitfolgen auftreten. Im Vortrag werde ich zusammenfassen, was darüber bisher bekannt ist." | <p>Über die Folgen der Krankheit hinaus steigt für die meisten Menschen allein schon durch die Pandemiesituation das Stresslevel. "Die ganze Sache zieht sich, es wird einfach nicht besser - die Lage zerrt an den Nerven", so
<a href="/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie">Prof. Schomerus</a>. "Eine gewisse Hilflosigkeit spürt jeder. Und wir verzichten schon seit vielen Monaten auf so viele Dinge, die uns eigentlich selbstverständlich waren. Nicht alle können mit diesem Stress umgehen."  Weil man im Alltag die fatalen Auswirkungen einer schweren Infektion auf den Menschen nicht direkt sehe, bleibe die Bedrohung abstrakt. </p><p>Prof. Schomerus wird deshalb bei seinem Vortrag am 9. Februar auch der Frage nachgehen, wie man mit der Situation besser umgehen kann, um den Kopf wieder frei zu bekommen.</p><div class="embed-responsive embed-responsive-16by9">
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<strong>UKL-Vortragsreihe "Medizin für Jedermann"</strong></p><p>"Seelische Belastungen in der Corona-Pandemie - was tun?"</p><p>Mittwoch, 9. Februar</p><p>18.15 bis 19.30 Uhr</p><p>
<a href="/Seiten/medizin-fuer-jedermann-psyche-corona.aspx">www.uniklinikum-leipzig.de</a></p> |
Kontakte pflegen, Vertrauen aufbauen, behandeln: Team der Psychiatrischen Institutsambulanz des UKL besucht Patienten zu Hause | | <img alt="Die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKL in der Semmelweisstraße: Weil viele Patienten nicht in die Klinik kommen, besucht sie ein Team der Psychiatrischen Institutsambulanz zu Hause." src="/presse/PressImages/pic_20210819095332_3129bca9fb.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2021-08-18T22:00:00Z | Leipzig. Kommt der Berg nicht zum Propheten, dann … kommt das Team der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) eben zu seinen Patienten nach Hause. "Hometreatment" nennt sich dieses Konzept.
Bereits vor Corona im Herbst 2019 eingeführt, musste es im Lockdown-Jahr 2020 pausieren. Seit einigen Monaten wird es nun wieder intensiviert. Die Ziele: Konstanten schaffen, Patienten nicht "verlieren", Vertrauen aufbauen, zur Nutzung ambulanter Angebote motivieren. Dafür fahren die PIA-Mitarbeiter auch schon mal Straßenbahn mit ihren Patienten. | <p>"An unserer Psychiatrischen Institutsambulanz dürfen wir schon immer Hausbesuche machen", erklärt Prof. Christine Rummel-Kluge, Oberärztin der <a href="/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie">Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKL</a> und Leiterin des "Hometreatment"-Teams. Neu sei nun aber, dass die Teammitglieder extra dafür freigestellt seien und die häuslichen Behandlungen somit nicht "nebenbei" machen müssten. Solch ein Hausbesuch dauere schon mal zwei Stunden oder mehr, doch auf diese Weise kann auch kurzfristigen Bedarfen leichter nachgegangen werden. </p>
<p>"In der Corona-Zeit haben wir gemerkt: Viele Patienten kommen nicht mehr in die Klinik - aus den unterschiedlichsten Gründen", berichtet Prof. Rummel-Kluge, "Manche wegen der Schwere ihrer psychischen Erkrankung, andere, weil sie körperlich eingeschränkt sind oder Angst vor einer Infektion haben oder weil es mit einem Säugling und einem Geschwisterkind schwierig sein kann, die Betreuung zu organisieren." Gleichzeitig, so meint sie, seien durch die Lockdown-Maßnahmen auch noch die wichtigen Tagesstrukturen vieler Patienten weggefallen. Hier sei der Bedarf nun ungleich höher.</p>
<p>Hinzu kämen diejenigen, die in einer Krise keine institutionelle Hilfe in Anspruch nehmen möchten oder jene, die überholten Vorurteilen über psychiatrische Einrichtungen Glauben schenkten: "Doch auch diese Menschen erreichen wir mit unserem niederschwelligen Angebot zu Hause besser", bestätigt die UKL-Expertin. "Wir müssen zuallererst Vertrauen aufbauen, und bei vielen Patienten gelingt dies eher zu Hause."</p>
<p>Das Team besteht aus pflegenden, ärztlichen und psychologischen Mitarbeitern. Bei Bedarf können Mitarbeiter anderer Berufsgruppen "ausgeliehen" werden. Rummel-Kluge: "Unser Wunsch ist es zudem, auch einen Sozialarbeiter fest ins Team aufzunehmen."</p>
<p>Immer zwei Leute fahren zu einem Hausbesuch - je nach dem Anliegen und dem Zustand des Patienten. Bis zu zehn Besuche werden es pro Woche, meist innerhalb des dem UKL gesetzlich zugewiesenen Betreuungssektors im Süden von Leipzig. "Unsere Mitarbeiter sind nun nach der Impfung auch viel entspannter, den Wohnbereich ihrer Patienten zu betreten", sagt die Oberärztin. </p>
<p>Wie wichtig der regelmäßige Kontakt zu den Betroffenen ist, schildert Prof. Rummel-Kluge beispielhaft: "Gerade im Zeitraum nach der Entlassung von Station und dem Übergang in die ambulante Behandlung gehen viele Patienten sozusagen verloren. Hier setzen wir an, stellen uns meist noch während des stationären Aufenthaltes vor und bauen danach durch regelmäßigen Kontakt zu Hause so viel Vertrauen auf, dass daraus bei den Betroffenen die Motivation erwächst, Gruppenangebote hier in unserer Ambulanz zu besuchen und daran teilzuhaben", so die UKL-Expertin. Dafür habe sich das Konzept schon sehr bewährt. Auf diese Weise könnten Patienten auch schon mal eher stationär entlassen werden, als ursprünglich geplant. </p>
<p>Ihre Patienten mittels "Hometreatment" auch soweit zu motivieren, in die Ambulanz zu kommen, hält Prof. Rummel-Kluge für überaus bedeutsam: "Gerade der soziale Austausch mit anderen Patienten ist enorm wichtig. Wir machen dafür vieles möglich, wenn es sein muss, begleiten wir unsere Patienten auch bei der Straßenbahnfahrt zu uns in die Ambulanz."</p> |