„Wir müssen Kindermedizin breit denken“ | | <img alt="Prof. Wieland Kiess, Direktor der UKL-Kinderklinik." src="/presse/PressImages/pic_20240306115946_0f4760fcc9.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2024-03-05T23:00:00Z | Leipzig. Pädiatrische Endokrinologie, das Spezialgebiet des scheidenden Direktors der Kinderklinik am UKL, Prof. Wieland Kiess, ist ein Schwerpunkt der diesjährigen Tagung zur Kindergesundheit in der Messestadt. Mehr als 150 Mediziner diskutieren darüber hinaus Themen aus allen Bereichen der Kindermedizin getreu dem Tagungsmotto "Kinder- und Jugendmedizin breit gedacht". | <p>"Ich war und bin der Überzeugung, dass wir eigentlich nur als generalistische Allgemein-Pädiater wirklich gute Kindermedizin machen können", begründet Tagungsleiter Prof. Wieland Kiess die Wahl des Themas des diesjährigen Symposiums, mit dem er sich auch aus dem Arbeitsleben verabschiedet. <br><br>Der langjährige Direktor der <a href="/einrichtungen/kinderklinik">UKL-Kinderklinik</a> selbst wählte seinerzeit als Spezialgebiet die Endokrinologie der Heranwachsenden, von der das gesunde Aufwachsen stark abhängt. Deren Fragestellungen von kardiovaskulären Komplikationen des Typ-1 Diabetes als auch Therapieformen der angeborenen Schilddrüsenunterfunktion werden am Vormittag des 9. März auf dem Programm stehen. Ergänzt wird dies um die Diskussion des Einsatzes von Wachstumshormonen bei Kindern mit Störungen des Hypothalamus oder bei Kindern mit Prader-Willi-Syndrom. "Wir haben dafür herausragende Kolleg:innen aus den europäischen Kinderendokrinologie-Zentren in Rotterdam, Paris, Madrid, London und Chieti (Italien) für Vorträge gewinnen können", freut sich Prof. Kiess. "Als besonderes Highlight wird Prof. Hublin aus Paris über die menschliche Evolution referieren". Hublin war viele Jahre lang Direktor am Max-Planck-Institut in Leipzig und arbeitet seit kurzem wieder in Paris.</p>
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<p>Der Symposiums-Nachmittag ist dann einem breiten Spektrum aus allen Bereichen der Kinderheilkunde gewidmet: der aktuellen Aufgabe der Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Forschungsergebnissen zum Thema Adipositas im Erwachsenenalter bzw. Adipositas im Kindesalter, der Psychologie von Hunger und Nahrungsaufnahme sowie Grundlagenwissen zur Entwicklung von Arzneimitteln mit Blick auf die Biochemie des Menschen.  Zum Schluss berichtet Prof. Christian Wirth, Zentrum für Diversitätsforschung der Universität Leipzig, über den Leipziger Auenwald und was dieser mit Kindermedizin zu tun hat. "Klimawandel und die Vernichtung von Lebensvielfalt betreffen eben auch und gerade Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft", begründet Kiess die Wahl des Abschlussvortrags. "Das im Blick zu behalten meint, Kindermedizin breit zu denken".  </p>
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<p><a href="https://paediatric-research.de/">Symposium Paediatric Research Leipzig</a><br>"Kinderheilkunde und Jugendmedizin breit gedacht"</p>
<p>9. März 2024, 9.00 bis 18.00 Uhr<br>Kongresshalle am Zoo, Leipzig</p> |
„Tag der seltenen Erkrankungen“ am 29. Februar: Noch immer werden neue Krankheiten entdeckt | | <img alt="Privatdozentin Dr. Skadi Beblo, stellvertretende Leiterin des Universitären Zentrums für Seltene Erkrankungen (UZSEL) am UKL, berichtet bei der Online-Veranstaltung am 29. Februar über die Arbeit des Zentrums." src="/presse/PressImages/pic_20240227092246_7ee0d0d4d5.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2024-02-26T23:00:00Z | Leipzig. Der Tag der seltenen Erkrankungen wird international am 29. Februar begangen. 2024 ist es dank des Schaltjahres wieder möglich. Das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) bietet an diesem Tag einen Webcast, eine Online-Vortrags-Veranstaltung für Betroffene, Angehörige oder Interessierte an. Die Teilnehmer:innen erwarten Aktuelles aus dem Universitären Zentrum für Seltene Erkrankungen (UZSEL) sowie Neuigkeiten von und über Selbsthilfegruppen in Leipzig.
Noch immer würden regelmäßig neue seltene Erkrankungen entdeckt, sagt Privatdozentin Dr. Skadi Beblo vom UZSEL. Jeder neue Fall sei eine Herausforderung. | <p>Beim Webcast ab 14 Uhr stellen sich verschiedene Selbsthilfegruppen vor. Darunter ist auch das Jugendteam von Alopecia Areata Deutschland. Alopezie steht für vorzeitigen Körperhaarausfall. "Manchmal kommt das auch bei Jugendlichen vor. Für diese ist das aufgrund ihres jungen Alters natürlich besonders belastend", erklärt Dr. Beblo, Oberärztin an der <a href="/einrichtungen/kinderklinik">Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin</a> des UKL. </p>
<p>In einem zweiten großen Block berichtet das <a href="/einrichtungen/uzsel">UZSEL</a> über seine Arbeit im vergangenen Jahr. Erläutert werden unter anderem Ziele und Aufgaben Medizinischer Behandlungszentren für Erwachsene mit Behinderungen - sogenannte MZEB. <a href="/einrichtungen/neurologie/Seiten/mzeb.aspx">Auch am UKL gibt es ein solches Zentrum</a>, das laut Dr. Beblo wie eine Folgeeinrichtung für die Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) verstanden werden kann. </p>
<p>"Viele Menschen mit komplexen Behinderungen weisen oft gleichzeitig sehr seltene Erkrankungen auf. MZEB mit ihrem interdisziplinären Behandlungsteam berücksichtigen daher beides: einmal die herausfordernden Besonderheiten schwerer Behinderung und gleichzeitig auch den dringenden Bedarf nach spezieller Expertise für seltene Erkrankungen, wie etwa angeborene Stoffwechselerkrankungen," weist Dr. Wolfgang Köhler, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der MZEB Deutschland und Mitgründer des MZEB am Leipziger Universitätsklinikum, auf einen der Aspekte seines Vortrags bei der Veranstaltung am 29. Februar hin. <br><br></p>
<p><strong>"Habe ich vielleicht eine seltene Erkrankung?"</strong><br>"Jedes Jahr wenden sich 100 bis 130 Menschen an uns im UZSEL mit der Frage: 'Habe ich vielleicht eine seltene Erkrankung?' Sie kommen entweder aus eigenem Antrieb oder auf Anraten ihrer Hausärzt:innen", berichtet die stellvertretende UZSEL-Leiterin. Rund die Hälfte der Anfragen würden dann in einer interdisziplinären Fallkonferenz besprochen. "Anschließend ergeht eine persönliche Empfehlung an die Patient:in für das weitere Vorgehen, denn es geht nicht immer um eine Diagnosestellung, wir zeigen eher den weiteren Weg auf", so die UKL-Expertin. "Wir selbst können nicht alle Patient:innen behalten, suchen daher nach Expert:innen für die Weiterbehandlung." </p>
<p>Der überwiegende Teil der Anfragenden seien Erwachsene, 80 Prozent kämen aus Sachsen. Aber auch aus anderen Bundesländern und dem Ausland erreichten sie Fallanfragen, zum Beispiel aus Ländern, in denen die Versorgungslage schlechter als hierzulande sei, sagt Dr. Skadi Beblo. </p>
<p>Dass noch immer regelmäßig neue seltene Erkrankungen entdeckt werden, führt die erfahrene Kinderärztin einerseits auf immer besser verfügbare internationale Patienten-Datenbanken zurück, andererseits auch auf die Fortschritte, die die humangenetische Diagnostik mache. </p>
<p>Für sie selbst sei der Umgang mit seltenen Erkrankungen zwar sozusagen beruflicher Alltag. "Allerdings wird man doch regelmäßig überrascht, womit man so konfrontiert wird", sagt Dr. Beblo und fügt hinzu: "Jeder neue Fall ist für uns alle im UZSEL immer eine große Herausforderung."<br><br></p>
<p><strong>Webcast zum "Tag der seltenen Erkrankungen"<br></strong>Donnerstag, 29. Februar, 14 bis 17 Uhr<br><a href="http://www.ukl-live.de/seltene-erkrankungen">www.ukl-live.de/seltene-erkrankungen</a></p> |
Am UKL startet der erste Jahrgang in die spezialisierte Einarbeitung in der Kinderpflege | | <img alt="Den Anforderungen eines Universitätsklinikums gerecht werden: Die ersten Teilnehmenden der Zusatzausbildung erhalten von Fachkrankenschwester und Ausbilderin Vicky Janke (Mitte, hinten) in der Zentralen Notfallaufnahme des UKL Einblick in die Thematik „Polytrauma aus pflegerischer Sicht“." src="/presse/PressImages/pic_20231117151352_0837f171aa.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2023-11-18T23:00:00Z | Leipzig. Im August 2023 verließ der zweite Jahrgang Absolventen der generalistischen Pflegeausbildung die Berufsfachschulen, auch am Universitätsklinikum Leipzig (UKL). Um den Berufsanfängern, die sich für die Arbeit in der Kindermedizin entschieden haben, nun einen guten Start zu ermöglichen, bietet das UKL eine spezialisierte Einarbeitung in der Kinderpflege an. Seit September durchlaufen die ersten 17 Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner diese besondere Zusatzausbildung. | <p>Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, diese Tatsache gilt auch in der Pflege. Pflegearbeit in einer hochspezialisierten <a href="/einrichtungen/kinderklinik">Kinderklinik</a> oder auf einer <a href="/einrichtungen/neonatologie">Frühchenstation</a> stellt daher etwas andere Anforderungen an die Pflegenden, weshalb es bis zur Reform der Pflegeausbildung eine gesonderte Ausbildung zur Kinderpflegefachkraft gab. Mit der Einführung der generalistischen Ausbildung entfiel diese Trennung, die Inhalte wurden in die umfassende Ausbildung der Pflege aller Altersgruppen integriert, die unverändert drei Jahre dauert.  </p>
<p>"Uns war allerdings frühzeitig klar, dass dabei einiges Spezialwissen nicht im bisherigen Umfang vermittelt werden kann, allein aufgrund der Verdichtung der Wissensvermittlung", beschreibt Kerstin Voigt, Pflegerische Leitung im Department für Frauen und Kindermedizin am UKL, die damit verbundenen Herausforderungen. Auch der Zeitanteil der praktischen Erfahrung während der Ausbildung, der im Bereich der Kindermedizin absolviert wird, ist deutlich kürzer als bisher. "Das birgt die Gefahr, dass sich Berufsanfänger: innen in der Kinderpflege nicht sicher genug fühlen", sagt Voigt. Diese Überlegungen sind auch in ein 2015 vom UKL erstelltes Positionspapier eingeflossen, in dem vor allem auf die zu erwartenden Defizite bei der Wissensvermittlung in der Kinderpflege hingewiesen wurde (siehe Link am Textende).</p>
<p>Als Lösung wurde nun mit der Akademie des UKL, den für die Ausbildung verantwortlichen Mitarbeiter:innen der Kinderstationen und den Praxisanleiter:innen eine hausinterne Option zur Vertiefung in der Kinderpflege entwickelt: Diese besteht aus 180 Stunden theoretischem und praktischem Unterricht sowie einer praktischen, begleiteten Einarbeitung auf den jeweiligen Kinderstationen, An deren Ende verfügt jede Teilnehmer:in über etwa 1300 Stunden Erfahrung in der Kinderpflege und entspricht damit auch den Anforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses an eine in der Onkologie oder Neonatologie tätigen Pflegefachperson. <br>Generell ist das Ziel, mit dem Angebot möglichst viele Pflegeabsolvent:innen für die Arbeit in der Pflege kranker Kinder begeistern zu können. Voigt: "Wir möchten den Pflegenachwuchs optimal auf diese Aufgabe vorbereiten, um am Leipziger Universitätsklinikum eine hochqualifizierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu garantieren."  </p>
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<p><a href="/_layouts/15/WopiFrame.aspx?sourcedoc=/Documents/pflegereform-positionspapier-uniklinikum-leipzig.pdf&action=default" target="_blank">UKL-Positionspapier zur Reform der Pflegeberufe vom Dezember 2015</a> [PDF]</p>
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Fünf Jahre Childhood-Haus: Eine Einrichtung, die (leider) weiterhin benötigt wird | | <img alt="" src="/presse/PressImages/pic_20230922094645_0f168ce890.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2023-09-21T22:00:00Z | Leipzig. Es ist eine ambulante Anlaufstelle, ein Schutzraum, in dem von sexuellem Missbrauch, körperlicher Gewalt und Vernachlässigung betroffene Kinder und Jugendliche vielfältige Hilfe und Unterstützung erfahren: Seit fünf Jahren besteht das Childhood-Haus am Universitätsklinikum Leipzig (UKL), das räumlich und fachlich an die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin angebunden ist. Begangen wird der Jahrestag der Eröffnung am Mittwoch, 27. September, mit einer Weiterbildungsveranstaltung und Erfahrungsaustausch, an dem alle beteiligten Institutionen wie Polizei, Justiz, Medizin und Jugendhilfe zusammenkommen. Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow ist ebenfalls zu Gast und spricht ein Grußwort. | <p>Am 27. September 2018 hatte Königin Silvia von Schweden das Childhood-Haus am UKL eingeweiht. Es war das erste dieser Art in Deutschland und ein Modellprojekt für die Umsetzung des Konzepts der von der schwedischen Königin 1999 gegründete <a href="https://www.childhood-de.org/">"World Childhood Foundation"</a>, das Kindern weltweit helfen will.</p>
<p>Fünf Jahre später hat sich das Childhood-Haus Leipzig in der Region etabliert - oder, so muss man sagen, etablieren müssen. In den kinderfreundlich gestalteten Untersuchungs- und Befragungsräumen arbeiten Vertreter:innen von Polizei, Justiz, Jugendhilfe und natürlich Medizin interdisziplinär zusammen, um die rund 350 Fälle pro Jahr ganzheitlich abzuklären. Den Betroffenen sollen so wiederholte Aussagen und Untersuchungen an verschiedenen Einrichtungen erspart bleiben. Geleitet wird das Childhood-Haus von Oberarzt Dr. Matthias Bernhard und Psychologin Dr. Petra Nickel.</p>
<p>Bereits seit 1999 besteht an der von Prof. Wieland Kiess geführten <a href="/einrichtungen/kinderklinik">UKL-Kinderklinik</a> eine interdisziplinäre Kinderschutzgruppe, seit 2012 eine Kinderschutzambulanz. In letzterer können Kinder und Jugendliche längerfristig nachbetreut werden. Dass hier am Universitätsklinikum in Leipzig das <a href="/Seiten/childhood-haus-leipzig.aspx">erste Childhood-Haus Deutschlands</a> errichtet werden konnte, wird als Anerkennung der jahrelangen konsequenten Kinderschutzarbeit an der UKL-Kinderklinik betrachtet. </p>
<p>"Wir verzeichnen in den vergangenen zwei Jahre eine deutlich steigende Tendenz der Anfragen und Vorstellungen, wenngleich glücklicherweise die Zahl der schweren Misshandlungen beziehungsweise Missbrauchsfälle eher konstant bleibt. Letztlich dürften die steigenden Zahlen also vor allem auf einer erhöhten Sensibilität und einem größeren Bekanntheitsgrad des Childhood-Hauses beruhen", ordnet Dr. Bernhard die aktuelle Entwicklung ein. </p>
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<p><strong>Childhood-Konzept und "kindgerechte Justiz"</strong></p>
<p>Mit einer Weiterbildungsveranstaltung, die auch den Charakter eines Erfahrungsaustauschs tragen soll, wird am Jahrestag, dem 27. September an die Eröffnung vor fünf Jahren gedacht. Nach der Begrüßung durch UKL-Vorstand Prof. Christoph Josten und Kinderklinik-Direktor Prof. Kiess erfahren die Teilnehmenden Wissenswertes über das Childhood-Konzept, bevor weitere Referent:innen zum Beispiel über "kindgerechte Justiz" oder den Ablauf einer polizeilichen Vernehmung sprechen werden. Zudem schildern UKL-Expertinnen, wie kinder- und jugendgynäkologische Untersuchung beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch dokumentiert werden. Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow wird bei der Veranstaltung im Hörsaal von Haus C der Medizinischen Fakultät ebenfalls vor Ort sein und ein Grußwort sprechen. </p>
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<p><a href="/veranstaltungen/Seiten/Veranstaltung_5782.aspx">-> Mehr Informationen zur Veranstaltung.  </a></p>
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Schul-Avatare am Universitätsklinikum Leipzig: Sie holen das Klassenzimmer ins Krankenhaus | | <img alt="Schul-Avatare: „Wie ein Stellvertreter für das erkrankte Kind, das sozial isoliert ist.“" src="/presse/PressImages/pic_20230711140400_c33e57e3db.jpg" style="BORDER:px solid;" /> | 2023-07-11T22:00:00Z | Leipzig. Sie sind überschaubar groß, nicht allzu schwer, beweglich, unter ihrem Plastikkörper steckt viel Mikroelektronik – doch das Wichtigste ist: Sie sind "Augen", "Ohren" und "Stimme" von Kindern, die wegen ihrer schweren oder chronischen Erkrankungen über eine lange Zeit nicht zur Schule gehen können. Die Rede ist von sogenannten Schul-Avataren. Eine Handvoll dieser elektronischen Helferlein sind bereits am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) in der Kinderonkologie und der Kinderintensivstation im Einsatz – oder besser gesagt, an den Schulen der jungen Patient:innen. | <p>Das Prinzip ist so simpel wie genial: Das roboter-ähnliche "Geschöpf" kann sich 360 Grad um die eigene Achse bewegen, "melden", sprechen, aber auch durch Gesten anzeigen, dass der Mensch dahinter zum Beispiel nun Ruhe braucht und nur zuhören will - immer gesteuert von "seinem" Kind per Tablet oder I-Pad aus dem Krankenbett in der Klinik oder auch von zu Hause. Der Avatar bekommt einen realen "Freund" oder "Freundin", der oder die ihn zum Unterricht und an andere Einsatzorte mitnimmt. So können die kleinen Patient:innen nicht nur besser am Unterricht teilnehmen, sondern auch leichter mit ihren Schulfreund:innen in sozialem Kontakt bleiben.</p>
<p>Vier Schul-Avatare stehen derzeit für an Krebs erkrankte Kinder zur Verfügung. Wahrscheinlich werden es bald mehr sein. Verwaltet werden sie von der "<a href="https://www.elternhilfe-leipzig.de/">Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig</a>". Der gemeinnützige Verein setzt sich seit vielen Jahren für an Krebs erkrankte Kinder und Jugendliche sowie deren Familien ein und ist auf der <a href="/einrichtungen/kinderonkologie">pädiatrischen Onkologie</a> des UKL im Einsatz. "Die ersten beiden Avatare sind schon seit zwei Jahren im Dienst, dann kamen vor kurzem noch zwei weitere hinzu", berichtet Markus Wulftange von der Elternhilfe. "Und ein fünfter ist in Bestellung, weil die Sache immer bekannter wird", berichtet er. Den Premieren-Avatar sponserte die Techniker-Krankenkasse, drei hat die Elternhilfe selbst erworben. Den fünften finanziert der Rotary Club Leipzig-Alte Börse.</p>
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<p>Schon 2018 ist der "Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig" das Modell der Schul-Avatare vorgestellt worden. Doch wegen hoher Datenschutzhürden und Kosten habe man das Projekt erst einmal wieder weggelegt. "Die erste Patientin hatten wir mitten in der Corona-Zeit", erinnert er sich. "Doch sie und ihre Eltern fanden es gleich ganz toll. Das erleichterte uns damals die Entscheidung zum Kauf des bis dahin nur zur Probe geliehenen Avatars, als wir sahen, es funktioniert." Dass der Mini-Roboter auch ganz einfach auf den Schulhof und sogar auf Klassenfahrten mitgenommen werden kann, trug nach Ansicht Wulftanges dazu bei, dass auch die Lehrkräfte an den Schulen zunehmend entspannter wurden im Umgang mit den Avataren. </p>
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<p><strong>Mit Wimpern ausgestattet: Avatar wird Teil des Klassenkollektivs</strong></p>
<p> "Als sich abzeichnete, dass die Sache größer wird, haben wir die Klinikschule mit ins Boot geholt", sagt Markus Wulftange. Die <a href="https://cms.sachsen.schule/ksl/start.html">Dr. Georg-Sacke-Schule</a> ist als Klinik- und Krankenhausschule eine Förderschule der Stadt Leipzig mit einer Dependance am UKL. Ulrike Herbarth, Lehrkraft an der Klinikschule, sieht den elektronischen Helfer als sinnvolle Ergänzung zum Einzelunterricht in den Hauptfächern an der Klinikschule. "In unserem Psychosozialen Team entscheiden wir gemeinsam, wer für einen Avatar in Frage kommt", sagt Herbarth. Kriterien seien unter anderen das Alter und die relative Nähe des Wohnortes zur Klinik. "Das bisher jüngste Kind war neun Jahre alt, wir hatten aber auch schon Zehntklässler. Für Abiturienten:innen ist das Ganze eher nicht so interessant. Die haben andere Möglichkeiten." Markus Wulftange fügt hinzu: "In Frage kommt, wer wegen einer Krebsbehandlung ein dreiviertel oder ganzes Jahr am Schulbesuch gehindert wird. Da können wir ein Angebot zur Nutzung eines Avatars unterbreiten." In der Regel passiert dies in der Zeit des Aufenthalts in der Klinik. "Doch gerade bei stammzelltransplantierten Kindern verlängert sich die Zeit ohne Schulbesuch. Diese können den Avatar auch zu Hause weiter nutzen", erläutert der Sporttherapeut, der für die "Elternhilfe" auf der pädiatrischen Onkologie des UKL tätig ist. </p>
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<p>Herbarth und Wulftange sind vom Nutzen des Avatar-Einsatzes überzeugt: "Das ist so etwas wie ein Stellvertreter für das erkrankte Kind, das sozial isoliert ist. Es kann besser dem Unterrichtsstoff folgen, aber auf dem Schulhof auch einfach mal mit seinen Freunden quatschen und sie sehen", erläutert Ulrike Herbarth. Der Avatar löse bei den Mitschülern in der Regel viel Empathie aus. Der eine oder andere "Elektro-Mitschüler" sei wohl auch schon bemalt oder mit Wimpern beklebt worden, weiß sie. "Er wird zum Teil des Klassenkollektivs", freut sie sich.</p>
<p>"Die psychosoziale Versorgung krebskranker Kinder und ihrer Familien ist leider nicht über die staatlichen Kostenträger abgesichert. Daher sind wir zur Finanzierung solcher Angebote auf Spenden angewiesen", betont Markus Wulftange.</p>
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<p><strong>Immer wieder Klinik statt Schule für die zwölfjährige Emily</strong></p>
<p>Sie sitzt auf ihrem Bett, trägt Kopfhörer und schaut auf den Bildschirm des Tablets vor ihr. Doch Emily schaut keine lustigen Videos zu Hause auf "YouTube", sie sitzt auf ihrem Krankenbett auf der Kinder-Intensivstation des UKL und macht Schulunterricht. Was sie sieht, erblicken gerade auch ihre Mitschüler:innen in der Leipziger <a href="https://www.albert-schweitzer-schu-le.de/">Albert-Schweitzer-Schule</a>, einer kommunalen Ganztagsschule für Kinder mit körperlichen Behinderungen. Emily ist zwölf Jahre alt. Die Leipzigerin kam als extremes Frühchen mit Ultrakurzdarmsyndrom am UKL zur Welt. Ihre Nahrungsaufnahme erfolgt fast vollständig über Infusionen. Wegen eines hohen Infektionsrisikos muss sie immer wieder Wochen, ja Monate im Krankenhaus bleiben. Die ersten viereinhalb Jahre ihres Lebens verbrachte sie komplett im UKL. <br>Franziska Rothe, psychosoziale Elternbetreuerin auf der Kinder-ITS, kennt Emily von Geburt an. Im Herbst vergangenen Jahres besprach sie ihre Idee, einen Schul-Avatar für die Kinder-ITS anzuschaffen, mit dem Verein "<a href="https://pmh-ev.de/">Paulis Momente hilft</a>". Der gemeinnützige und ehrenamtlich agierende Leipziger Verein engagiert sich seit Jahren sehr aktiv in der Kinderklinik des UKL. Dort trug man sich bereits mit ähnlichen Gedanken. Nach Anschaffung des Geräts und Klärung aller datenschutzrechtlichen Belange wurde Emily als initiale Nutzerin ausgewählt: "Emily ist sehr technikaffin, ihre Eltern stimmten zu und auch die ihrer gesamten Klasse. Die Lehrerin war ebenfalls aufgeschlossen", freut sich Franziska Rothe über den unproblematischen Start. </p>
<p>Für Sven Graser, Vorsitzender von "Paulis Momente hilft", und seinen Stellvertreter Ingo Schulz ist die Sache mit den Schul-Avataren "eine supercoole Idee". Der Verein rief ein Projekt unter dem Titel "Avatar Projekt Leipzig" ins Leben, über das die Finanzierung läuft.</p>
<p>Nach gründlicher Recherche erwarb "Paulis Momente hilft" fünf Avatare, von denen einer nun auf der pädiatrischen Intensivstation des Leipziger Uniklinikums im Einsatz ist. Galt für den Einsatz derartiger Avatare der ungenügend eingehaltene Datenschutz bisher als großes Hindernis, so habe der ausgewählte Hersteller nun nachgewiesen, dass keine Aufzeichnung der Datenübertragung erfolge, so Ingo Schulz.</p>
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<p><strong>Weniger Ausfallzeiten für Emily</strong></p>
<p>Im Mai ging es dann los mit der ersten Unterrichtsstunde. Technisch funktionierte alles, die Bilder kamen ruckelfrei. In der Albert-Schweitzer-Schule steht der Avatar auf Emilys Platz. Über das Tablet kann sie ihn steuern. "Ich verstehe alles gut mit den Kopfhörern", sagt die Zwölfjährige, "aber es fühlt sich noch etwas komisch an, dass ich auch sprechen kann mit den anderen", meint sie. "Auch Emily muss bei der Live-Übertragung natürlich auf Belange des Datenschutzes achten. Sie darf nichts speichern, aufnehmen oder weitergeben", erläutert Elternbetreuerin Rothe. Sie freut sich: "Emily hat schon viele Ausfallzeiten gehabt, nun könnten es weniger werden." Jetzt müsse man sehen, wieviele Stunden Emily mitmachen kann. "Wir tasten uns heran." Nur zum Schwimmunterricht darf der Avatar nicht mit, denn nass werden sollte er nicht. </p> |