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Ösophagusatresie | Uniklinikum Leipzig

​​Die Ösophagusatresie ist eine angeborene Erkrankung, bei der die Speiseröhre (Ösophagus) nicht durchgängig ist und einen unterschiedlich langen Defekt aufweist.

Erkrankung

​Atresie nennt man einen angeborenen oder erworbenen Verschluss von Hohlorganen und bedeutet im griechischen "kein Durchgang". Bei der Ösophagusatresie kann der Abstand zwischen den beiden Stümpfen der Speiseröhre unterschiedlich lang sein. Bei den meisten Kindern wird die Erkrankung bereits in der Schwangerschaft während der Vorsorgeuntersuchungen erkannt. So kann z.B. ein Polyhydramnion (zu viel Fruchtwasser) ein Hinweis auf eine Ösophagusatresie sein, da das Baby im Mutterleib das Fruchtwasser nicht schlucken kann (was es normalerweise tut).

Wird ein Baby mit einer Ösophagusatresie geboren, kann nichts vom Mund in den Magen gelangen, weder Nahrung noch Speichel, der ja auch ständig unbewusst geschluckt wird. Diese Neugeborene haben aber sehr oft noch ein anderes Problem: eine Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre, eine „tracheo-ösophageale Fistel" (Trachea - Luftröhre; Fistula - Rohr auf lateinisch). Meistens besteht diese Verbindung zum unteren Stumpf der Speiseröhre (Abb.1) und es kann darum Magensaft in die Lunge gelangen.

​Abb. 1: Einteilung der Ösophagusatresie nach Vogt. (Quelle: von Schweinitz/ Ure. Lehrbuch „Viszerale und Allgmeine Chirurgie des Kindesalters", Springer-Verlag, 2009)


Das führt dann zu Atemproblemen bzw. einer Lungenentzündung. Umgekehrt kann über diese Verbindung auch der Magen mit Atemluft aufbeblasen werden, was wiederum Beschwerden im Bauch verursacht.

Nachdem eine Ösophagusatresie diagnostiziert wurde, steht eine anspruchsvolle Operation bevor. Die Art des operativen Verfahrens richtet sich nach der Entfernung des oberen Speiseröhrenanteils zum unteren. Ist die Entfernung kurz, können mit nur einer Operation beide Speiseröhrenanteile direkt miteinander verbunden werden. Ist die Distanz groß, müssen komplexere Therapien erfolgen.

Unser Behandlungskonzept

​Diagnostik

Zur Diagnosefindung führt man vom Mund her einen kleinen Plastikschlauch in die Speiseröhre ein und stößt auf einen federnden Widerstand. Eine Röntgenaufnahme des Brustkorbes zeigt die Luftfüllung des oberen Speiseröhrenanteils, der blind endet (sog. Blindsack). Weiter unten sieht man ggf. eine Luftfüllung des Darmes als Hinweis auf eine untere Fistel (Verbindung zwischen Speiseröhre und Luftröhre) (Abb.2).

​Abb. 2: Röntgenaufnahme des Brustkorbs mit oberem Blindsack: mit „Schlürfsonde" in Position, die den Speichel absaugt und luftgefülltem Magen (Schwarze Blase rechts unten im Bild unterhalb des Zwerchfells).

 
In vielen Fällen ist eine Ösophagusatresie mit einem Herzfehler kombiniert. Weitere typische Fehlbildungen sind solche an Armen und Beinen, Wirbelkörperanomalien, Fehlbildungen der Nieren oder Fehlanlagen an anderen Darmanteilen. Daher müssen diese Fehlbildungen in den ersten Stunden nach der stationären Aufnahme mittels Ultraschall und Röntgen gesucht werden. Zur Operationsplanung muss auch ein Ultraschall vom Herz (Echokardiogramm oder „Echo") durchgeführt werden, um Herzfunktion und die Lage der Hauptschlagader zu erfassen.

Therapie

Die Art der Ösophagusatresie (Abb. 1) bestimmt die Operationsmethode und die Entfernung des oberen Speiseröhrenanteils zum unteren ist von entscheidender Bedeutung. Der Abstand der Speiseröhrenenden orientiert sich an der Projektion auf die Wirbelsäule. Beträgt der Abstand der beiden Speiseröhrenenden weniger als 5 bis 6 Rückenwirbel, können meist beide Speiseröhrenanteile miteinander verbunden werden („End-zu-End-Anastomose").

​Abb. 1: Einteilung der Ösophagusatresie nach Vogt. (Quelle: von Schweintiz/ Ure. Lehrbuch „Viszerale und Allgmeine Chirurgie des Kindesalters", Springer-Verlag, 2009)


Kurzstreckige Ösophagusatresie mit unterer tracheoösophagealer Fistel
(Abb.1)

Ist die Entfernung kurz, können mit nur einer Operation beide Speiseröhrenanteile miteinander verbunden werden. Bei dieser häufigsten Form der Ösophagusatresie mit einer Fistel vom unteren Teil der Speiseröhre in die Luftröhre, wird gleich nach der Geburt operiert. Sofern keine Kontraindikationen bestehen (z.B. schwerer Herzfehler oder extreme Frühgeburtlichkeit mit einem Gewicht < 1500 - 2000g) bieten wir bei dieser Form der Atresie die Operation bevorzugt als minimalinvasiven Eingriff (thorakoskopisch) an.

Thorakoskopische Operation

Bei der thorakoskopischen (minimalinvasiven) Operationstechnik bringt der Kinderchirurg über dem rechtsseitigen Brustkorb drei oder vier kleine Schnitte (ca. 2 - 3mm) an, durch die dünne Röhrchen (Trokare) in den Brustraum eingeführt werden. Durch einen der Trokare wird zudem Luft in den Bauchraum geblasen und eine Kamera eingeführt (Brustkorbspiegelung oder „Thorakoskopie", Abb. 3).

​Abb. 3: Trokar- und Instrumentenpositionierung bei der thorakoskopischen Versorgung einer Ösophagusatresie. (Aus Bax et al. 2008)


Hiermit kann der ganze rechtsseitige Brustkorb inspiziert werden. Die Operation folgt demselben Prinzip wie beim offenen Verfahren, die Fistel, also die Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre, wird verschlossen, damit keine Flüssigkeit aus dem Magen/unteren Speiseröhrenbereich in die Luftröhre gelangen kann. Im weiteren Verlauf der Operation werden dann mit äußerst feinen Stichen die Speiseröhrenenden zusammengenäht.

Abb. 4: Ansicht von innen (Thorakoskopie=Brustkorbspieglung). Man erkennt am linken Bildrand das untere Ende des Ösophagus und am rechten Bildrand den oberen Teil des Ösophagus, die anschließend miteinander verbunden werden

Abb. 5: Ansicht von innen (Thorakoskopie=Brustkorbspieglung). Beide Teile des Ösophagus werden miteinander verbunden. In der Speiseröhre liegt eine kleine Sonde (im Bild mit grünem Streifen), die als Schienung und für die Ernährung nach der Operation dient.


Da beim minimalinvasiven Verfahren der ausgedehnte Hautschnitt über dem rechten Brustkorb entfällt, ist das kosmetische Ergebnis besser als beim offenen Vorgehen.

In Einzelfällen wird noch eine kleine Drainage (sog. Thoraxdrainage oder Pleuradrainage) in den Pleuraspalt (dem Raum zwischen Lungenoberfläche und dem Rippenfell) gelegt, um den physiologischen Unterdruck aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Manchmal wird auch ein kontrollierter Sog angelegt, dies dient der Förderung von Wundsekret oder Luft aus dem Pleuraspalt. Die Naht besteht aus resorbierbarem Material. Die Fäden müssen später nicht mehr gezogen werden.

Doch nicht alle Kinder können minimalinvasiv operiert werden. Die Operationstechnik ist abhängig von Faktoren wie dem Geburtsgewicht oder weiteren Fehlbildungen (wie zum Beispiel Herzfehler). Auch kann es sein, dass der Kinderchirurg aus technischen Gründen, wenn zum Beispiel die Übersicht bei der Brustkorbspiegelung ungenügend ist, zur offenen Operationstechnik wechseln muss.

Offene Operation

Dazu wird ein Hautschnitt über dem rechtsseitigen Brustkorb gesetzt, um in den Brustkorb zu gelangen. Meist liegt dieser Schnitt zwischen der vierten und fünften Rippe. Über diesen Zugang gelangen wir direkt zur Fistel. Als erster Schritt wird die Fistel, also die Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre, verschlossen, damit keine Flüssigkeit aus dem Magen/unteren Speiseröhrenbereich in die Luftröhre gelangen kann. Im weiteren Verlauf der Operation werden dann mit äußerst feinen Stichen die Speiseröhrenenden zusammengenäht. Zum Ende der Operation wird der Brustkorb wieder verschlossen.
In Einzelfällen wird noch eine kleine Drainage (sog. Thoraxdrainage oder Pleuradrainage) in den Pleuraspalt (dem Raum zwischen Lungenoberfläche und dem Rippenfell) gelegt, um den physiologischen Unterdruck aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Manchmal wird auch ein kontrollierter Sog angelegt, dies dient der Förderung von Wundsekret oder Luft aus dem Pleuraspalt. Die Naht besteht aus resorbierbarem Material. Die Fäden müssen später nicht mehr gezogen werden. Die Narbenbildung ist von der individuellen Veranlagung abhängig.

Langstreckige Ösophagusatresie mit unterer tracheoösophagealer Fistel (Typ 2, Abb.1)

Etwa 8 bis 12 Prozent der Kinder haben eine langstreckige Ösopghagusatresie, bei der nicht sofort beide Speiseröhrenanteile miteinander verbunden werden können („End-zu-End-Anastomose"). Das klinische Bild der langstreckigen Atresie gleicht, abgesehen von der fehlenden Blähung des Magens, dem der kurzstreckigen Ösophagusatresie mit ösophagotrachealer Fistel . Es gibt mehrere Möglichkeiten bei diesen Kindern eine Operation durchzuführen.

Innerhalb der ersten 24 - 48 Lebensstunden erfolgt die konventionelle oder laparoskopisch assistierte Anlage einer Gastrostomie (eine chirurgisch angelegte Öffnung durch die Bauchdecke in den Magen) zur Einleitung einer enteralen Ernährung. Alternativ kann eine direkte Verbindung zwischen der oberen Speiseröhre und der Haut des Halses („kollares Ösophagostoma") angelegt werden. Vorteil dieser Lösung ist die Stimulierung der oralen Nahrungsaufnahme und des Schluckvorgangs. Hierdurch lässt sich das häufig nach der definitiven Wiederherstellung der Speiseröhrenpassage über Monate notwendig werdende Esstraining verkürzen.

Heute besteht Einigkeit über den optimalen Zeitpunkt der definitiven Rekonstruktion nach 8 - 12 Wochen. Beträgt die Distanz der beiden Speiseröhrenenden weniger als 4 - 6 Wirbelkörper, operieren wir über eine Eröffnung des rechtsseitigen Brustkorbs und verbinden die beiden Speiseröhrenanteile miteinander („End-zu-End-Anastomose"). Die Technik entspricht derjenigen der Rekonstruktion direkt nach der Geburt. Gelingt es nicht, die beiden Speiseröhrenanteile miteinander zu verbinden, kommen Speiseröhre-Ersatzverfahren zum Einsatz unter Verwendung von Magen, Dickdarm oder Dünndarm.

Gerne informieren wir Sie über die unterschiedlichen Möglichkeiten und Methoden. Danach können Sie in Ruhe entscheiden, zu welcher Methode Sie sich entschließen möchten. Bei dieser Entscheidung ist also keine Eile geboten.

Nachbehandlung

​Neugeborene mit einer Ösophagusatresie müssen nach der Operation etwa 10 - 14 Tage im Krankenhaus bleiben. Während dieser Zeit werden Kind und Mutter auf der Säuglingsstation von unseren Kinderkrankenschwestern und ärztlichen Team betreut. In den ersten Tagen nach der Operation wird ihr Kind noch nicht über den Mund wohl aber über die währen der Operation gelegte Magensonde ernährt. In Einzelfällen kann das Kind auch intravenös, über einen Tropf ernährt werden. Die Magensonde wird zum Zweck der Ernährung auch nach der Operation noch für einige Tage im Magen des Kindes belassen.

Einige Tage nach der Operation kann Ihr Kind über den Mund ernährt werden. Wie lange es braucht, bis die Speiseröhre normal funktioniert, ist jedoch nicht vorhersehbar. Jedes Kind nimmt sich dabei seine Zeit. Wenn Ihr Kind die Nahrung vollständig trinkt und kontinuierlich an Gewicht zunimmt, wird die Magensonde gezogen und Sie können nach Hause entlassen werden.
Eine Nachbehandlung ist in der Regel über mehrere Jahre notwendig.

Unsere Klinik arbeitet hierfür eng mit der Patienten- und Selbsthilfeorganisation KEKS e.V. zusammen. Jeder Patient erhält zur standardisierten und gründlichen Nachsorge ein speziell hierfür entwickeltes Nachsorgebuch (ähnlich dem gelben Vorsorgeheft), in dem alle anstehenden Kontrolluntersuchungen geplant und verwaltet werden können.

Typische Probleme im Langzeitverlauf sind eine Tracheomalazie*, eine Gastroösophageale Refluxkrankheit °° oder die Verengung (Stenose) an der Speiseröhrennaht. Die Letalität ist abhängig von Begleitfehlbildungen und vom Geburtsgewicht. Sie liegt bei einem Geburtsgewicht über 1500 g und ohne größere Herzfehler unter 5 Prozent.

* Tracheomalazie (lateinisch für „weiche Luftröhre") ist eine Erkrankung, welche durch eine Erschlaffung der Luftröhre (Trachea) gekennzeichnet ist. Die Ursache hierfür liegt in einer geringen Stabilität der in der Luftröhre befindlichen Knorpelspangen, was zu einem Zusammenfallen (Kollaps) der Luftröhre führt, typischerweise in der Einatemphase.

°° Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Refluxösophagitis bezeichnet eine Erkrankung der Speiseröhre, die durch einen abnormal langen Rückfluss von Magensäure verursacht wird.

Veröffentlichungen unserer Mitarbeiter

Bogs T, Zwink N, Chonitzki V, Hölscher A, Boemers TM, Münsterer O, Kurz R,
Heydweiller A, Pauly M, Leutner A, Ure BM, Lacher M, Deffaa OJ, Thiele H, Bagci
S, Jenetzky E, Schumacher J, Reutter H. Esophageal Atresia with or without
Tracheoesophageal Fistula (EA/TEF): Association of Different EA/TEF Subtypes with
Specific Co-occurring Congenital Anomalies and Implications for Diagnostic
Workup. Eur J Pediatr Surg. 2017 Jan 6.

Hölscher AC, Laschat M, Choinitzki V, Zwink N, Jenetzky E, Münsterer O, Kurz
R, Pauly M, Brokmeier U, Leutner A, Ure B, Lacher M, Schumacher J, Reutter H,
Boemers TM. Quality of Life after Surgical Treatment for Esophageal Atresia:
Long-Term Outcome of 154 Patients. Eur J Pediatr Surg. 2017 Jan 6.

Brosens E, Marsch F, de Jong EM, Zaveri HP, Hilger AC, Choinitzki VG, Hölscher A, Hoffmann P, Herms S, Boemers TM, Ure BM, Lacher M, Ludwig M, Eussen BH, van der Helm RM, Douben H, Van Opstal D, Wijnen RM, Beverloo HB, van Bever Y, Brooks  AS, IJsselstijn H, Scott DA, Schumacher J, Tibboel D, Reutter H, de Klein A. Copy number variations in 375 patients with oesophageal atresia and/or tracheoesophageal fistula. Eur J Hum Genet. 2016 Dec;24(12):1715-1723. 

Bagci S, Brosens E, Tibboel D, De Klein A, Ijsselstijn H, Wijers CH, Roeleveld N, de Blaauw I, Broens PM, van Rooij IA, Hölscher A, Boemers TM, Pauly M, Münsterer OJ, Schmiedeke E, Schäfer M, Ure BE, Lacher M, Choinitzki V, Schumacher J, Zwink N, Jenetzky E, Katzer D, Arand J, Bartmann P, Reutter HM. More than fetal urine: enteral uptake of amniotic fluid as a major predictor for fetal growth during late gestation. Eur J Pediatr. 2016 Jun;175(6):825-31. 

Dingemann C, Dietrich J, Zeidler J, Blaser J, Gosemann JH, Ure BM, Lacher M
Early complications after esophageal atresia repair: analysis of a German health  insurance database covering a population of 8 million. Dis Esophagus. 2016 Oct;29(7):780-786. 

Zeidler C, Woelfle J, Draaken M, Mughal SS, Große G, Hilger AC, Dworschak GC,
Boemers TM, Jenetzky E, Zwink N, Lacher M, Schmidt D, Schmiedeke E,
Grasshoff-Derr S, Märzheuser S, Holland-Cunz S, Schäfer M, Bartels E, Keppler K,
Palta M, Leonhardt J, Kujath C, Rißmann A, Nöthen MM, Reutter H, Ludwig M.
Heterozygous FGF8 mutations in patients presenting cryptorchidism and multiple
VATER/VACTERL features without limb anomalies. Birth Defects Res A Clin Mol
Teratol. 2014 Oct;100(10):750-9

Lacher M, Froehlich S, von Schweinitz D, Dietz HG. Early and long term outcome in children with esophageal atresia treated over the last 22 years. KlinPadiatr. 2010 Sep;222(5):296-301 (IF 1.58)

Berger M, Ure B, Lacher M. Mitomycin C in the therapy of recurrent esophageal strictures: hype or hope? Eur J Pediatr Surg. 2012 Apr;22(2):109-16.

Lacher M, Kuebler JF, Dingemann J, Ure B
Minimal Invasive Surgery in the Newborn: Current Status and Evidence. Semin Pediatr Surg. 2014 Oct;23(5):249-56

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Liebigstr. 20a, Haus 6
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Chefsekretariat:
0341 - 97 26400
Fax:
0341 - 97 26409
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