In der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie
verfolgen wir über die Jahre mit zahlreichen klinischen und nicht klinischen
Kooperationspartnern (u.a. IWU Fraunhofer – Institut Dresden, ICCAS Universität
Leipzig, Biosaxony – Biotechnologie - Cluster) die Möglichkeiten weiterer
Entwicklungen im Bereich der informationstechnologisch unterstützten
Neurochirurgie zu bearbeiten. Hierbei liegt der Fokus sowohl in der Planung und
Simulation als auch der Durchführung neurochirurgischer Eingriffe für eine
präzise, schonende Behandlung zu entwickeln, zu evaluieren und in den
klinischen Alltag zu implementieren.
Hierzu werden unterschiedliche, drittmittelunterstützte Projekte aus dem
Bereich der informationstechnologisch – assistierten Chirurgie im
interdisziplinären Ansatz zwischen Klinikern und Informatikern/Technikern
verfolgt. Nachfolgend wird eine Auswahl der Projekte gegeben.
Entwicklung eines computerassistierten Systems zur Unterstützung von Planung und Durchführung bei Tumorresektionen
Das Ziel des Projektes und Innovation ist die Entwicklung eines Systems zur augmentierten intraoperativen Informationsdarstellung in der Neurochirurgie. Das zentrale Anwendungsgebiet soll die Entfernung von tumorösen Hirngewebe bzw. der Tumorresektion (z.B. Glioblastom) sein. Wesentliche Zielparameter sind eine deutliche Verringerung der Operationszeit sowie eine Erhöhung der Präzision, um intraoperative Traumata zu vermeiden. Das System soll dies erreichen, in dem der ständige Fokuswechsel des Chirurgen zwischen Situs und Operationsmonitor vermieden wird. Bestandteile des Vorhabens sind die Bilddatenfusion unterschiedlicher Modalitäten, die intraoperative Bildgewinnung sowie die Entwicklung eines 3D-Druck basierten Testszenarios.

Einsatz von Fluoreszenzverfahren (ICG-VA) in der endonasalen transsphenoidalen Chirurgie bei sellären Tumoren
Die Komplettresektion von Hypophysentumoren bei gleichzeitiger Schonung der Hypophyse selbst hat aufgrund möglicherweise resultierender endokrinologischer und funktioneller Störungen oberste Priorität bei diesem chirurgischen Eingriff. Das Standard OP-Verfahren umfasst eine präoperative 3D-MRT Bildgebung, welche zur Segmentierung des Tumorgewebes genutzt wird sowie eine 3D-CCT zur knöchernen Darstellung. Die intraoperative Fluoreszenz soll:
1. Die anatomische Orientierung verbessern,
2. Die Durchblutung der Tumorkapsel darstellen und
3. Tumorreste darstellen und deren Resektion optimieren.
Die Beurteilung der Fluoreszenz erfolgt dabei im Wesentlichen in Videosequenzen und basierend auf maschinelles Lernen.

Multimodales digitales Trainingssystem für die Anwendung in der Neurochirurgie
Weiterentwicklung eines Trainingsphantoms mit besonderer Ausrichtung auf die VR-Integration und die Erstellung eines Hirnmodells. Ziel ist es virtuelle Inhalte mit einem realen Training am Kopfmodell zu verbinden. Dazu sollen verschiedene anatomische Strukturen, einschließlich der Hirnstrukturen, in das Sichtfeld des Chirurgen mit Hilfe einer Augmented Reality – Brille eingeblendet werden, während er an einem realistischen Kopfmodell die Operation durchführt.

Entwicklung eines intelligenten Hirnspatels zur Ermittlung der intraoperativen Belastung auf das Hirnparenchym bei neurochirurgischen Eingriffen
Im Rahmen neurochirurgischer Eingriffe am offenen Gehirn werden sogenannte Hirnspatel verwendet, um das höchst empfindliche Hirngewebe (Parenchym) zu separieren und an tieferliegende Zielregionen im Hirninneren zu gelangen. Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines neuartigen Hirnspatels mit integrierter Sensorfunktion zur Erfassung der mechanischen Krafteinwirkung auf das Hirngewebe und zur Signalgabe bei drohender Hirngewebsschädigung. Die von der Sensorik erhobenen Daten sollen dem operierenden Neurochirurgen sowohl intra- (Monitoring) als auch postoperativ zur Verfügung stehen. Letzteres soll im Sinne einer Daten-Auswerteeinheit zur Qualitätssicherung und Risikominimierung für zukünftige neurochirurgische Eingriffe nutzbar gemacht werden können.
Entwicklung eines patientenspezifischen Systems für die Tiefenhirnstimulation
Das Ziel des Vorhabens und dessen Innovation ist die Entwicklung einer patientenspezifischen Stereotaxievorrichtung für die Tiefenhirnstimulation, das in halbautomatischer Fertigung bereits alle Raumkoordinaten implementiert und unmittelbar für die OP genutzt werden kann. Diese soll erstmalig zeitaufwendige Justierungen und Adaptionen für den jeweiligen Patienten, wie sie alle bisher genutzten Verfahren erfordern, entbehren und das Potenzial von Ungenauigkeiten und Fehleinstellungen eliminieren helfen.
Tiefenhirnstimulation ist eine Behandlungstechnologie, die zur Therapie von Bewegungsstörungen wie beispielsweise Morbus Parkinson zur Minimierung der unkontrollierten Zitterbewegungen eingesetzt wird.


Entwicklung einer Planungssoftware für die Tiefenhirnstimulation - Probabilistische Traktografie
Ziel des geplanten Forschungsprojektes THSpro ist die Entwicklung eines Softwaretools zur Zielpunktplanung für die Tiefe Hirnstimulation mit hohem Marktpotenzial. Aus Messdaten der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie werden unter Nutzung der probabilistischen Traktografie die neuronalen Faserbahnen im Gehirn rekonstruiert. Anhand dieser neurologisch-funktionalen Daten wird der Zielpunkt der Tiefen Hirnstimulation bestimmt. Sie wird die Genauigkeit der Zielpunktfindung verbessern und so direkt dem Patientenwohl dienen. Die prozessgesteuerten Handlungsabläufe des Planungsvorgangs werden auf Zeit-, und damit Kostenersparnis, optimiert. Die Schulung und Bedienhilfe wird mit einem interaktiven Videointerface effizient realisiert. Eine eigens konzipierte VSEO-Strategie wird Experten und Betroffene helfen sich umfassend zu informieren.
Methoden des maschinellen Lernens werden eingesetzt, um die zeitaufwendigen Berechnungen der probabilistischen Traktografie zu verkürzen. Dies bedeutet einen zeiteffektiveren Planungsvorgang und spart Kosten.

Entwicklung eines Systems zur Planung und Fertigung patientenspezifischer Schädelimplantate unter Verwendung additiver Fertigungsverfahren und Techniken des maschinellen Lernens
Das Projektziel ist die Entwicklung einer Prozesskette zur Herstellung patientenspezifischer Schädelimplantate mit 3D-Drucksystemen, mit denen Schädelimplantate aus verschiedenen Materialien wie PEEK / PEKK, Biokeramik und Titan individuell für jeden Patienten hergestellt werden können. Für die CT-basierte präoperative Planung des patientenspezifischen Schädelimplantats wird derzeit eine Software eingesetzt, die mehrere Stunden benötigt, um die relevanten anatomischen Strukturen zu segmentieren und das CAD-Modell des Implantats zu erstellen. Während des Implantat-Planungsprozesses ist derzeit die Interaktion zwischen dem Chirurgen und dem Ingenieur nicht optimal. Ein weiteres Projektziel ist daher die Entwicklung einer Cloud-basierten Planungssoftware mit künstlicher Intelligenz, um die relevanten anatomischen Strukturen innerhalb der CT-Bilder zu segmentieren und automatisch verschiedene Designversionen des Implantats zu erstellen. Der gesamte Prozess soll innerhalb von 48 Stunden die Implantatlieferung ermöglichen, anstatt bisher 2-6 Wochen.
Patientenspezifische 3D-gedruckte Gefäßmodelle
Bei der Therapie lebensbedrohlicher Aneurysmen der Hauptschlagader, der Aorta, werden während der OP sehr zeitaufwändig die Koordinaten der Gefäßabzweige von den Röntgenbildern auf das Gefäßimplantat übertragen. Mit Hilfe 3D-gedruckter patientenspezifischer Gefäßmodelle als Schablone können Gefäßabzweige auf dem Gefäßimplantat markiert werden.
Damit kann das Gefäßimplantat hochpräzise und 90 Minuten schneller im Patienten platziert werden.

Patientenspezifische 3D-gedruckte Helme für Kinder
Durch verschiedene Umstände können Kleinkinder einen deformierten Kopf aufweisen. Dies kann zum Beispiel Pränatal bei Enge in der Gebärmutter, Perinatal durch Traumata während der Geburt, wie die Beckenendlage und Postnatal durch funktionelle oder anatomische Zwangslagen oder einer permanenten Rückenlage auftreten. Die Helmorthese nutzt das Wachstum des Kopfes aus um seine Form zu korrigieren. Er liegt an den prominenten Arealen des Kopfes an, das Wachstum ist deshalb hier während der Behandlungszeit unterdrückt. Er lässt Platz an den abgeflachten Stellen und ermöglicht das Wachstum in die ideale Form hinein.

Patientenspezifische 3D-gedruckte Modelle für die Planung komplexer Operationen und der Implantatplatzierung
Im Rahmen einer präzisen Knochenschraubenfixierung oder Knochenrepositionierungen können für die Wirbelsäulen- und Beckenchirurgie sowie für die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Bohr- und Sägeschablonen gefertigt werden. Zudem ermöglichen patientenspezifische Modelle der Patienten-Anatomie eine sichere Planung komplexer Operationen.

