Akademie-Projekt

​​​​​​"Wissenschaftsbeziehungen im 19. Jahrhundert zwischen Deutschland und Russland auf den Gebieten Chemie, Pharmazie und Medizin"

Der folgende Bericht gibt eine kurze Rückschau auf das im Dezember 2019 beendete interdisziplinäre Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.

Das im Mai 2007 begründete Vorhaben hatte Dokumentation und Darstellung der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und dem Russischen Reich auf den Gebieten Chemie, Pharmazie und Medizin im „langen" 19. Jahrhundert zum Ziel. Russland bot vielen deutschen Medizinern und Naturwissenschaftlern Arbeits-, Forschungs- und Karrieremöglichkeiten, die sie in der Heimat nicht finden konnten. Umgekehrt besuchten russische Studenten, Akademiker und Wissenschaftler ausländische Universitäten, brachten von dort Eindrücke und Anregungen mit und publizierten wiederum u. a. auf Deutsch. Ein biobibliographisches Lexikon erfasst diejenigen Chemiker, Pharmazeuten und Mediziner, die bei diesen Kontakten eine wichtige Rolle spielten.

Der Wissenschaftsaustausch wurde zunächst anhand ausgewählter Disziplinen analysiert, bei denen sich in diesem Zeitraum ein Paradigmenwechsel im Sinne der naturwissenschaftlichen Grundlegung vollzog. Das Projekt sicherte und erzeugte darüber hinaus jedoch auch ideen-, sozial- und kulturgeschichtliches Wissen. Die Ergebnisse wurden abschließend zu einem Gesamtbild mit Handbuchcharakter vereinigt werden. Historische Fundierung und Dekonstruktion nationaler Legendenbildung konnten zu einer Förderung der aktuellen Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland beitragen.

Für die laufende Veröffentlichung der Projektarbeit wurde die Schriftenreihe Relationes gegründet. 2008 erschien der erste Band mit einer Edition von Quellen zu dem in St. Petersburg tätigen deutschen Chemiker und Pharmazeuten Carl Julius Fritzsche (1808-1871) und einer diskursanalytischen Untersuchung der populärphilosophischen Schriften des russischen Medizin-Nobelpreisträgers Il'ja Il'ič Mečnikov (1845-1916). Im Jahr 2009 entstanden die beiden Monographien Baltische Genesis. Die Grundlegung der Embryologie im 19. Jahrhundert und Lebensvorgänge. Deutsch-russische Wechselbeziehungen in der Physiologie des 19. Jahrhunderts.

2010 wurden unter dem Titel Russische Karrieren die Biobibliographien der deutschen und russischen Leibärzte im Zarenreich vorgelegt.

Im Jahr 2011 erschienen drei weitere Bände: die Monographie „Das allgemeinste Gesetz". Karl Ernst von Baer (1792-1876) und die großen Diskurse des 19. Jahrhunderts von Ortrun Riha und Thomas Schmuck, der Tagungsband „Naturwissenschaft als Kommunikationsraum". Internationale Tagung, Leipzig 29.9.-1.10.2010, herausgegeben von Ortrun Riha und Marta Fischer, und der Band zur bilateralen Forschungsentwicklung in Physiologischer Chemie „Lebendige Stoffe. Deutsch-russischer Wissensaustausch in der Physiologischen Chemie im 19. Jahrhundert" von Regine Pfrepper.

2012 wurden eine Dokumentation zur Pharmakologie, ein biobibliographisches Lexikon der Physiologen, eine kommentierte Briefedition zwischen dem Ehepaar E. und Ch. G. Nees von Esenbeck und K. E. von Baer sowie eine kommentierte Übersetzung von Reiseberichten russischer Physiologen, Biochemiker und Pharmakologen herausgebracht.

Band 12, der 2013 publiziert wurde, beschäftigt sich unter dem Titel "Lebendige Verbindungen" mit zahlreichen Biobliographien derjenigen Biochemiker, die wissenschaftlich zwischen Deutschland und Russland tätig waren. Im gleichen Jahr wurde Band 13 („Korrespondenz deutscher Gelehrter mit der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg") von Karin Reich und Elena Roussanova veröffentlicht.

Drei neue Bände erschienen im Jahr 2014: Das Biobibliographische Lexikon der Pharmakologen zwischen Deutschland und Russland im 19. Jahrhundert „Akteure und Agentien" (Band 14) von Marta Fischer, welcher Band 82 herausragende Repräsentanten wissenschaftlicher Beziehungen zwischen dem deutschen Sprachraum und dem Russischen Reich in dieser Disziplin vorstellt. In dem von Ortrun Riha herausgegebenen sog. Nachwuchsband „Klischee - Karriere - Krieg" (Band 15) werden die Forschungen von drei jungen Historiker(innen) auf dem Gebiet der deutsch-russischen Beziehungen einem interessierten Publikum zugänglich gemacht. Vor allem auf den Beiträgen der internationalen Tagung 'Hygiene als Leitwissenschaft im 19. Jahrhundert', die im Oktober 2013 in Leipzig stattfand, beruht der 2014 erschienene Band 16.

Im Jahr 2015 folgten zwei weitere Bände: „Kampf der Zellen. Die Entstehung der Immunologie im Wissenschaftsdreieck Russland - Deutschland - Frankreich" (Band 17) von Oxana Kosenko und „Mikroben, Seuchen und Vakzine. Biobibliographisches Lexikon der Bakteriologen, Hygieniker und Immunologen zwischen Deutschland und Russland im 19. Jahrhundert" (Band 18) von Marta Fischer.

Der von Elena Roussanova publizierte Band 19 geht auf die Entwicklung der Pharmazie im Russischen Kaiserreich und die deutschen Einflüsse darauf ein. Er enthält dazu unter anderem einen umfangreichen biographischen Lexikonteil.

In Band 20 spürt Oxana Kosenko der Lebensgeschichte des russischen Chirurgen Nikolaj Ivanovič Pirogov (1810-1881) anhand seiner Biografien nach. Eingeleitet wird die Untersuchung durch einen Essay zur Autobiografie des Titelheldens als medizinhistorische Quelle von Ortrun Riha.

Im Jahr 2018 erschienen gleich fünf Bände der Reihe. Marta Fischer widmet sich in Band 21 und Band 24 den deutsch-russischen Vertretern der operativen bzw. therapeutischen Fächer. Band 22 wurde von Birk Engmann verfasst, der sich den Themenfeldern Psychiatrie, Neuropathologie und Neurologie vor dem Hintergrund deutsch-russischer Wissenschaftsbeziehungen zuwendet. Die in diesem Band noch ausgesparte Disziplin der Nervenheilkunde beschreibt Engmann schließlich ausführlich in Band 26. Ein biobibliographisches Handbuch berühmter Chemiker des 19. Jahrhunderts, die den deutsch-russischen Wissenstransfer bereicherten, präsentiert Elena Roussanova in Band 23. Der zugehörige darstellende Band, der die Differenzierungs- und Institutionalisierungsprozesse des Faches Chemie behandelt, erschien im Dezember 2019. Mit ihm endet die Publikationstätigkeit des Akademieprojekts.

Bereits i​m Oktober 2018 veranstalteten die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ein Abschlusskolloquium, zu welchem ein Abschlussbericht veröffentlicht wurde:
Ortrun Riha: Bericht über das Abschlusskolloquium des Vorhabens Wissenschaftsbeziehungen im 19. Jahrhundert zwischen Deutschland und Russland auf den Gebieten Chemie, Pharmazie und Medizin. Denkströme Heft 21 (2019), S. 191-202 (Online-Version).

Weiteren Informationen zum Akademie - Projekt finden Sie unter folgenden Links:

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Liebigstraße 27, Haus E
04103 Leipzig
Telefon:
0341 - 97 25600
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