Leipzig. Weil kleinere Kinderkrankenhäuser oft nicht mehr finanzierbar seien, bestehe derzeit die Tendenz, Kinder wieder häufiger in nicht dafür ausgelegten Kliniken für Erwachsene zu behandeln. Dies sei ein Rückschritt ins 18. Jahrhundert, betont Prof. Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig (UKL), zum Tag des Kinderkrankenhauses am 16. September.
Einen Rückfall gleich ins vorvergangene Jahrhundert sieht Prof. Kiess deshalb, weil im 19. Jahrhundert erkannt worden sei, dass Kinder und ihre Erkrankungen etwas Besonderes seien und damals dann die ersten medizinischen
Einrichtungen für die Kleinsten gegründet wurden.
Nach Ansicht von Prof. Kiess weisen Kinderkrankenhäuser Besonderheiten auf: "Kinder kommen in der Regel mit ihren Eltern, das heißt, Pflegende und Ärzte haben mehr Ansprechpartner und benötigen mehr Zeit." Auch seien Kinder schwieriger zu untersuchen, meist verstünden sie noch nicht, worum es gehe. "Zudem müssen Kinderärzte oftmals andere Geräte für die gleichen Untersuchungen wie ihre Kollegen aus der Erwachsenenmedizin nutzen, man denke hier nur an eine Magenspiegelung bei einem Säugling oder an eine Magnetresonanztomographie, die MRT. Hier brauchen wir bei unseren Patienten zum Teil sogar eine Narkose", so der UKL-Klinikdirektor weiter. "Diese und andere Dinge machen ein Kinderkrankenhaus aus", betont er.
Kinderärzte, so Kiess, arbeiteten in der Regel interdisziplinär: "Die Breite an Erkrankungen ist höher als in Einzelkliniken im Erwachsenenbereich, daher muss eine Kinderklinik eigentlich alle medizinischen Fächer abbilden", erklärt er.
Im derzeitigen Krankenhausfinanzierungssystem werde dieser Mehraufwand nur ungenügend dargestellt, sagt Prof. Kiess. Dies könne dann eben zur Aufgabe kleinerer Häuser und zu seiner Befürchtung führen, die Errungenschaften des 19. Jahrhunderts - das Besondere an Kindern und ihren Krankheiten zu erkennen - wieder mehr und mehr aufzugeben.