Forschung

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Das Gehirn ist das komplexeste Organ der Säugetiere, das sowohl die Steuerung der Körperfunktionen als auch die Ausführung komplexer Verhaltensweisen ermöglicht. Es besteht aus zwei großen Zellgruppen, den Neuronen und den Gliazellen, und die ordnungsgemäße Funktion des Gehirns erfordert die enge und streng kontrollierte Zusammenarbeit all dieser Zellen.

Im zentralen Nervensystem gibt es drei Haupttypen von Gliazellen: Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen. Astrozyten tragen zu vielen Funktionen des Gehirns bei, unter anderem zum Stoffwechsel, zur Ionenhomöostase, zur Regulierung des Blutflusses und zum Abbau von Neurotransmittern. Sie sind aktive Partner der Neuronen bei der Informationsverarbeitung und wirken an der Regulierung der synaptischen Funktion und der Plastizität mit. Oligodendrozyten bilden die Myelinscheiden um die Axone und ermöglichen so eine schnelle Ausbreitung des Aktionspotenzials. Jüngste Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Oligodendrozyten bei der Interaktion mit Axonen und anderen Zellen eine viel aktivere Rolle spielen, als bisher angenommen wurde. Mikrogliazellen schließlich sind die Immunzellen des zentralen Nervensystems, die zur Homöostase und Reparatur von Gewebe beitragen.

Die Forschung in unserer Abteilung konzentriert sich auf mehrere Aspekte, darunter die Physiologie der Gliazellen, die Kommunikation und Interaktion von Gliazellen und Neuronen sowie die Entwicklung neuer Technologien:

Energiestoffwechsel des Gehirns

​Die Funktion des Gehirns hängt entscheidend von einer angemessenen Energieversorgung ab. Astrozyten werden seit langem mit der Energieversorgung und der Regulierung des Blutflusses in Verbindung gebracht; viele Fragen zu den Mechanismen und der Regulierung blieben jedoch bisher offen. Insbesondere interessieren wir uns dafür, wie zelluläre Signalereignisse den Stoffwechsel regulieren und wie Stoffwechselfaktoren auf modulierende Signalprozesse zurückwirken. 

Wir gehen diesen Fragen mit einer Kombination moderner Bildgebungstechnologien nach, darunter 2-Photonen-Bildgebung, Fluoreszenzsensoren für Metaboliten und Kalziumbildgebung. Kürzlich konnten wir z.B. zeigen, dass Dopamin-Signale den NAD+/NADH-Redoxzustand in Astrozyten regulieren, was wiederum Ca2+-Signale modifiziert (Requardt et al., 2010; 2012).​

 

Astrozytenprozesse: Dynamik und Regulation

Voraussetzung für funktionelle Interaktionen von Astrozyten und Neuronen ist eine enge morphologische Wechselwirkung. Astrozytäre Prozesse stehen in der Tat in engem Kontakt mit Blutgefäßen, anderen Gehirnzellen und Synapsen. Diese Prozesse sind jedoch keine statischen Strukturen, sondern werden innerhalb von Minuten gebildet und zurückgezogen (Hirrlinger et al., 2004). Unser Ziel ist es, die Mechanismen und die Regulation dieser Interaktion zu verstehen, z.B. durch Zeitraffer-Bildgebung der astrozytären Dynamik sowie durch selektive Deletion von Zelladhäsions-assoziierten Proteinen in vivo (Winkler et al., 2013)​

Präzises Targeting von Zellpopulationen mittels Split-Cre

Das bedingte und zelltypspezifische Gen-Targeting mit der Cre-LoxP-Technologie hat zu großen Fortschritten in unserem Wissen über das Zellschicksal und die zelltypspezifische Genfunktion geführt. Die Präzision des Zell-Targetings hängt jedoch entscheidend von der Spezifität des Promotors ab, der zur Steuerung der Cre-Expression verwendet wird. Um die Auflösung des Cre-vermittelten Zell-Targetings zu verfeinern, haben wir das Split-Cre-System entwickelt, das es ermöglicht, Zellpopulationen durch die gleichzeitige Aktivität zweier Promotoren genetisch zu definieren (Hirrlinger et al., 2009). 

Wir konnten zeigen, dass eine Subpopulation von Astrozyten von Vorläuferzellen abgeleitet ist, die sowohl das saure Gliafibrillenprotein (GFAP) als auch den Proteolipid (PLP)-Proteinpromotor exprimieren (Hirrlinger et al., 2009). Darüber hinaus ermöglichte Split-Cre die Definition adulter neuraler Stammzellen in vivo (Beckervordersandforth et al., 2010). Aktuelle Projekte zielen darauf ab, hochspezifisch ausgewählte Populationen von Gliazellen und Neuronen anzusprechen, um das Schicksal und die Funktion dieser Zellen zu untersuchen.​​​​

Finanzierung

Die Forschung in unserer Gruppe wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gefördert.

Ausgewählte Publikationen

Link zur vollständigen Liste

Köhler S, Winkler U, Hirrlinger J. (2021)

    Heterogeneity of Astrocytes in Grey and White Matter. Neurochem Res. 46(1):3-14.

    Trevisiol A, Kusch K, Steyer AM, Gregor I, Nardis C, Winkler U, Möbius W, Werner HB, Nave KA, Hirrlinger J (2020) Structural myelin defects are associated with low axonal ATP levels but rapid recovery from energy deprivation in a mouse model of spastic paraplegia. PLoS Biol. 18: e3000943.

    Köhler S, Schmidt H, Fülle P, Hirrlinger J, Winkler U (2020) A dual nanosensor approach to determine the cytosolic concentration of ATP in astrocytes. Front. Cell. Neurosci. 14: 565921.

    Hirrlinger J, Marx G, Besser S, Sicker M, Köhler S, Hirrlinger PG, Wojcik SM, Eulenburg V, Winkler U, Hülsmann S (2019) GABA-Glycine Cotransmitting Neurons in the Ventrolateral Medulla: Development and Functional Relevance for Breathing. Front. Cell. Neurosci. 13: 517.

    Baeza-Lehnert F, Saab AS, Gutiérrez R, Larenas V, Díaz E, Horn M, Vargas M, Hösli L, Stobart J, Hirrlinger J, Weber B, Barros LF (2019) Non-Canonical Control of Neuronal Energy Status by the Na Pump.Cell Metab. 29: 668-680.e4.

    Köhler S, Winkler U, Sicker M, Hirrlinger J (2018) NBCe1 mediates the regulation of the NADH/NAD redox state in cortical astrocytes by neuronal signals.Glia 66: 2233-2245.

    Schleinitz D, Seidel A, Stassart R, Klammt J, Hirrlinger PG, Winkler U, Köhler S, Heiker JT, Schönauer R, Bialek J, Krohn K, Hoffmann K, Kovacs P, Hirrlinger J. (2018) Novel Mutations in the Asparagine Synthetase Gene (ASNS) Associated With Microcephaly. Front. Genet. 9: 245

    Trevisiol A, Saab AS, Winkler U, Marx G, Imamura H, Möbius W, Kusch K, Nave KA, Hirrlinger J (2017) Monitoring ATP dynamics in electrically active white matter tracts. Elife 6: e24241.

    Saab AS, Tzvetavona ID, Trevisiol A, Baltan S, Dibaj P, Kusch K, Mobius W, Goetze B, Jahn HM, Huang W, Steffens H, Schomburg ED, Perez-Samartin A, Perez-Cerda F, Bakhtiari D, Matute C, Lowel S, Griesinger C, Hirrlinger J, Kirchhoff F, Nave KA (2016) Oligodendroglial NMDA Receptors Regulate Glucose Import and Axonal Energy Metabolism. Neuron 91: 119-132

    Winkler U, Seim P, Enzbrenner Y, Köhler S, Sicker M, Hirrlinger J (2017) Activity dependent modulation of intracellular ATP in cultured cortical astrocytes. J. Neurosci. Res. 95: 2172-2181.

    Winkler U, Hirrlinger J. (2015) Crosstalk of Signaling and Metabolism Mediated by the NAD/NADH Redox State in Brain Cells.Neurochem Res. 40(12): 2394-2401

    Hirrlinger J, Nave KA.(2014) Adapting brain metabolism to myelination and long-range signal transduction. Glia. 2014; 62(11):1749-61

    Winkler U, Hirrlinger PG, Sestu M, Wilhelm F, Besser S, Zemljic-Harpf AE, Ross RS, Bornschein G, Krügel U, Ziegler WH, Hirrlinger J (2013) Deletion of the cell adhesion adaptor protein vinculin disturbs the localization of GFAP in Bergmann glial cells. Glia 61: 1067-1083

    Requardt RP, Hirrlinger PG, Wilhelm F, Winkler U, Besser S, Hirrlinger J (2012) Ca2+ signals of astrocytes are modulated by the NAD/NADH redox state. J. Neurochem. 120: 1014-1025

    Beckervordersandforth R, Tripathi P, Ninkovic J, Bayam E, Lepier A, Stempfhuber B, Kirchhoff F, Hirrlinger J, Haslinger A, Lie DC, Beckers J, Yoder B, Irmler M, Götz M (2010) In vivo fate mapping and expression analysis reveals molecular hallmarks of prospectively isolated adult neural stem cells. Cell Stem Cell 7:744-758

    Hirrlinger J, Scheller A, Hirrlinger PG, Kellert B, Tang W, Wehr MC, Goebbels S, Reichenbach A, Sprengel R, Rossner MJ, Kirchhoff F (2009) Split-Cre Complementation Indicates Coincident Activity of Different Genes In vivo. PLOS One 4: e4286

    Hirrlinger J, Hülsmann S, Kirchhoff F (2004) Astroglial processes show spontaneous motility at active synaptic terminals in situ. Eur. J. Neurosci. 20: 2235-2239 Comment in "Research Highlights" (2004) Nat. Rev. Neurosci. 5: 828-829​

Bücher

Hirrlinger J, Waagepetersen HS (eds.) (2014) Brain Energy Metabolism.
Neuromethods, vol. 90 (2014) Springer Science+Business Media New York​
Liebigstraße 27, Haus E
04103 Leipzig
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